: Streifzug mit Verzögerung
KUNST Im September will das Künstlerinnenprojekt Endmoräne in Frankfurt (Oder) ausstellen
Ist das wirklich schon fast dreißig Jahre her? Dass ich Renate Hampke, die sich mit anderen Künstlerinnen für den Erhalt eines Atelierhauses im Wedding einsetzte, als junge Kunstjournalistin zuhörte, wie sie einer Schulklasse ihre Arbeit erläuterte? Dass Papier, auf dem der taz-Artikel damals gedruckt war, ist jetzt gelb und brüchig geworden. Dass nichts Bestand hat, alles nur ein Transformationsprozess ist, darum dreht sich alles in Renate Hampkes Arbeit.
Deshalb hat sie so oft ihre Energie in Installationen und Raumzeichnungen in Gebäude gesteckt, die nur übergangsweise und kurzfristig für die Kunst zur Verfügung standen. Möglicherweise ist sie schon achtzig Jahre alt, man sieht es ihr, die meist einen Turban trägt, nicht an. Noch immer aber arbeitet sie vor allem in solchen Projekten, in denen viele Künstlerinnen zusammenkommen und verlassene Ort bespielen.
Seit vielen Jahren nimmt sie an Endmoräne teil, einer Sommerwerkstatt für Künstlerinnen aus Berlin und Brandburg, die im Sommer in verlassen Gutshäusern, Kasernen oder Fabriken eine Woche an ihren Installationen arbeiten. Dieses Jahr sollen Sommerwerkstatt und Ausstellung in den Koehlmannhöfen in Frankfurt (Oder), ein stattliches Industrieareal aus den 1860er Jahren, stattfinden. Neun Gastkünstlerinnen aus Lodz in Polen kommen dazu, „Reisen und zu Gast sein“ ist das Thema.
Wie jedes Jahr haben einige Künstlerinnen schon Monate vorher öffentliche Förderung beantragt und bekommen. Sah alles gut aus, bis eine Auflage zur Gebäudesicherung und für einen Bauantrag zur Nutzungsänderung zuvor nicht kalkulierte Kosten von 6.000 Euro verursachten. Die versucht Endmoräne jetzt über eine Crowdfunding-Aktion auf Startnext aufzutreiben. Da kann man in einem kurzen Video Renate Hampke und andere der Endmoränen-Künstlerinnen sehen, wie sie den Daumen am Straßenrand raus halten, um doch noch ihre Kunstreise starten zu können.
Mehrere Generationen von Künstlerinnen, die sich nie allein auf den Kunstmarkt verlassen konnten und immer schon eigene Netzwerke hatten, arbeiten in Endmoräne zusammen. Dazu gehört Erika Stürmer-Alex, die vor Kurzem den Brandenburgischen Kunstpreis erhielt und eine Ausstellung in Neuhardenberg – Grande Dame einer schon in DDR-Zeiten aktiven Kunstszene aus dem Oderbruch. Dabei ist auch Susanne Ahner, die lange Jahre viele ephemere Bespielungen von Gebäuden, die in den 90er Jahren im Osten und Westen der Stadt plötzlich verwaist waren, mitorganisiert hat.
Die Summe, die noch fehlt, ist nicht groß. Die letzten fünf Ausstellungen von Endmoräne hatten viel zu bieten, ein abenteuerliches Ambiente, das man erst nach einem Ausflug erreicht, großzügige Streifzüge in die Geschichte der Gebäude, witzige und poetische Installationen und angesichts der kurzen Dauer – alles ist nur für drei Wochenenden geöffnet – immer eine Verschwendung von Energien und Ideen. Das sollte dieses Jahr wieder möglich sein.
Katrin Bettina Müller
Endmoräne in den Koehlmannhöfen, Frankfurt (Oder). Geöffnet Sa. + So. 13.00–18.00 Uhr, bis 6.–20. September.
Crowdfunding unter: www.startnext.com/endmoraene-2015
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