: KUNST
KunstNoemi Molitorschaut sich in den Berliner Galerien um
Frühe Vögel und ihre Würmer sind auch nur vom Kapitalismus konditioniert. Dabei ist Andrea Knoblochs„Wirtschaftswald“ aus umgestülpten Papp-Obstkisten eine so wunderbar leichte Wandarbeit, dass ihre thematische Ernsthaftigkeit (Bauwahn, Wohnraum, Überlebensstrategien im Kapitalismus) umso weher tut. Die schwarzen Siebdrucke auf den weißen Kartons – noch bis Samstag unter dem Titel „don’t listen to the early birds“bei cubus-mzu sehen – erinnern an Bergkrater und bleiben gleichzeitig minimalistisch. Nebenan mechanische Vogelgeräusche zu gerolltem Maschendraht: Das Filigrane ist bei Knobloch immer auch belastet. Mit dem Architekten Mathias Heyden spricht sie am Samstag zur Finissage über die Bezüge ihrer Arbeit zum boomenden Baubusiness, der immer höhere Wolkenkratzer hervorbringt und ganze Landschaften in Beton versenkt, in Megacitys wie Chongqing, China. Es geht um gebauten Raum, Lebensraum und selbstgebauten Freiraum (bis 8. 8., Mi.–Fr, 14-19 Uhr, Sa. 11–19 Uhr; Finnisage: 8. 8., 17 Uhr, Pohlstr. 75).
Bei Scotty Enterprises kam am Dienstagabend die Off-Stimme nicht aus der Luft, sondern aus dem Boden. Zum Project Space Festival bespielten Sharon Paz und Chryssa Tsampazi mit „My Horizontal is Your Vertical” den ganzen Block. Drinnen das für Paz typische Videoformat voller Silhouetten, überblendet mit den Schatten der Besucher_innen, durch die einzelne Bildschichten erst sichtbar wurden. Es klangen Flucht- und Kriegsszenarien an, dann wieder Alltag und Routine, sofort durchbrochen von einem der vielen Läufer_innen des Abends. Tsampani hatte O-Platz-AktivististInnen und andere aus der Nachbarschaft gebeten, nach geheimen Instruktionen im und um den Projektraum herumzurennen. So präsent und konzentriert waren diese Runner, man wollte sich sofort ausruhen. Im Moment des Hinsetzens auf einen der kleinen Hocker auf dem Bürgersteig ertönte Tsampanis Stimme aus dem Gulli. Die aufgenommen Atem- und Laufgeräusche waren unerwartet amüsant und beruhigend.
Morgen eröffnet am selben Ort mit Arbeiten von Nancy Jahns und Irmela Gertsen „fly-lie“. Jahns arrangiert gefundene Dinge neu oder baut an ihnen weiter. Abseits ihres Gebrauchs tritt der Materialkern der Gegenstände hervor und Tischtennisschläger werden zu Holzskulpturen. Bei Gertsen wiederum wirken die leichtesten Dinge, als könnten sie zusammenbrechen: Stecknadeln stapeln sich übereinander, bis der Leichtmetallturm kaum sichtbar, aber sofort fühlbar sich zu biegen beginnt (8.–21. 8., Mi.–Fr. 15–19 Uhr, Sa. 14–18 Uhr; Eröffnung 7. 8. 19 Uhr, Oranienstr. 46).
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