Hörbücher über Thomas Mann und Tiere: Alles grunzt, flötet und tuckert
Aus einem Stimmenmosaik formt sich ein Sittengemälde zu Zeiten des Schriftstellers Mann. Eine Tierparabel über Rassismus bietet eine volle Geräuschkulisse.
Es ist erstaunlich, wie wenig es braucht, die alte Bundesrepublik wiederauferstehen zu lassen. Die Hörspielfassung von Hans Pleschinskis „Königsallee“ schafft das im Nu. Die Dialoge tuckern bedächtig voran wie ein Opel Kapitän, und die Geräuschkulisse entfacht eine gleichsam kuschelig muffige wie aufgeregte Atmosphäre.
Motorengeräusche vermischen sich mit Fahrradklingeln, Wagners Walkürenritt kündet von bevorstehenden großen Ereignissen: Es ist Sommer 1954, Thomas Mann, sonor gesprochen von Wolf-Dietrich Sprenger, besucht das zerbombte Düsseldorf. Er logiert im noblen Breidenbacher Hof an der „Kö“ und wird aus „Felix Krull“ lesen. Das joviale Personal bereitet sich darauf vor; unliebsame Gäste wie ein alter Nazi-Feldmarschall müssen noch entfernt werden, ein (nicht ganz authentisch) sächselnder Angestellter leidet zwar unter dem Verlust der alten Heimat, hat die neue Weltordnung aber akzeptiert, im Hintergrund jaulen Sirenen.
Aus einem Stimmenmosaik formt sich ein Sittengemälde, Originalpresseberichte über den Besuch Thomas Manns werden mit Dialogen der Hotelangestellten verzahnt. Barnaby Metschurat spricht Manns verflossene Liebe Klaus Heuser leicht resigniert. Lena Stolze brilliert als hysterisch-abgeklärte Erika Mann. Jan Kersjes gibt Heusers Lover Anwar einen liebenswürdig singenden holländischen Akzent.
Nur der arme Golo Mann ist heillos überzeichnet, und fraglich ist, warum am Ende des ersten Teils nicht die Sendeankündigung von der Ausstrahlung des zweiten Teils im Radioprogramm des WDR herausgeschnitten wurde (Hans Pleschinski „Königsallee“, DAV, 2 CDs, 16,99 Euro).
Wo die Wurzeln liegen
Kinder zum Nachdenken über Fremdenfeindlichkeit zu bringen klappt am besten, wenn es über eine Geschichte passiert, zu deren Figuren sie eine Verbindung herstellen können. In Stefanie Taschinskis „Funklerwald“ wimmelt es von solchen Figuren beziehungsweise Tieren. Das Luchsmädchen Lumi wächst behütet im titelgebenden Funklerwald auf. Dort hat jede Tierart ihren Baum, quasi als Familienwappen.
Eines Tages lernt sie den Waschbärenjungen Rus kennen. Nun ist der Waschbär aber ein sogenannter Kratzer, er und seine Familie sind aus einem anderen Wald, der bei einem Unwetter zerstört wurde, in den Funklerwald geflohen. Weil es ihren Baum dort nicht gibt, sind die Waschbären unerwünscht. Doch Lumi setzt alles daran, damit die Waschbären unbehelligt mit im Funklerwald leben können.
Die Lesefassung wird von Katharina Thalbach mit Macht beatmet. Sie nutzt jede Ecke ihrer geräumigen Stimme, grunzt und flötet. Musik oder sonstige Geräusche fehlen und werden nicht vermisst. Nur Lumis Stimme ist zu quäkig geraten, und wenn man zunächst denkt, das ist ein bisschen viel des kauzigen Ausdrucks, ist man doch bald tief in den Bann der Geschichte gezogen.
Taschinski hat Tiere gewählt, damit keine Nationalität oder Religion benannt werden muss. Auch wenn die Parabel plakativ daherkommt: Die NSU-Anschläge brachten Taschinski zum Schreiben dieser Geschichte darüber, dass es töricht ist, jemanden abzulehnen, nur weil seine Wurzeln anderswo liegen.
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