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Demo für höhere PreiseMilch bald komplett wertlos

Bauern-Demo gegen den Verfall des Milchpreises: Den Molkereiriesen werfen sie vor, den Abwärtstrend durch ihre Exportstrategie zu verstärken.

Ist bald nichts mehr wert: Milch Foto: dpa

Bremen taz | Niedersachsen ist nicht Frankreich, und so blieb der Protest in Zeven unspektakulär: Mit Treckern und Transparenten demonstrierten 25 Milchbäuerinnen und -bauern Freitagmittag vorm Zevener Werk des Deutschen Milchkontors (DMK) gegen die Preis- und Geschäftspolitik der Molkereien. Zur Demo aufgerufen hatten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM).

Das DMK ist bundesweit die größte Molkerei. Der Konzern expandiert seit Jahren: Ab 2016 will man, nach der dann vollzogenen Einverleibung von DOC Kaas, dem zweitgrößten Käsefabrikanten der Niederlande, Europas Nummer Sechs sein. Derzeit verarbeitet DMK jährlich 6,8 Milliarden Kilo Milch, macht 5,3 Milliarden Umsatz – und selbst im miesen Jahr 2014 noch einen Gewinn von 27 Millionen Euro.

Nur 27 Cent hat das DMK dagegen den ErzeugerInnen pro Liter im Juni gezahlt: „Dieser Preis zerstört bäuerliche Strukturen“, warnte Ottmar Ilchmann, Milchbauer und stellvertretender Bundesvorsitzender der AbL. „Wir können Rechnungen nicht mehr bezahlen und für einige Milchbauern stellt sich jetzt schon die Existenzfrage.“

Auslöser für die aktuelle Krise ist der ersatzlose Wegfall der Mengenregulierung durch die Quote: Schon lange vor dem Auslaufen der Quote hatten BDM und AbL vor dem jetzt eintretenden Szenario gewarnt. Mittlerweile befindet sich der Erzeugerpreis bei weiter steigenden Liefermengen seit zwei Monaten im freien Fall.

„Das Überangebot von Milch muss umgehend verringert werden“, so Ilchmann. Für die Umsetzung eines vom BDM seit Jahren beworbenen, am Markt orientierten Mengenmanagement, des European Melk Board, hatte es bislang keine politischen Mehrheiten gegeben.

Begünstigt werde der Preisverfall auch durch die Geschäftspolitik der Molkereien. Namentlich das DMK setze auf einen fragwürdigen Exportkurs. In der EU ist die Milchproduktion vergleichsweise kostenintensiv: Weltmarktführer ist Neuseeland, wo Ganzjahresweidewirtschaft üblich ist. Dort galt ein Erzeugerpreis von umgerechnet 27 Euro-Cent im vergangenen Jahr als Rekord.

Auf dem Weltmarkt bestehen könnten hiesige Milchprodukte nur durch Quersubventionen. Überschüssige Mengen würden dort unterpreisig angeboten, so der Vorwurf. Zugleich gebe man niedrige Einzelhandelspreise „bequem an die Erzeuger weiter“, moniert Bio-Bäuerin Johanna Böse-Hartje.

Tatsächlich wird, wer beim DMK nach dem Gewinn aus Exporten in Nicht-EU-Länder fragt, auf den Geschäftsbericht verwiesen, der diese Zahlen nicht liefert. Was den deutschen Einzelhandel angeht mache der „nur einen Teil unseres Umsatzes“ aus. An den Verwerfungen beim Preis dort spiele „leider der Verbraucher eine Rolle“: Wie groß es auch sein mag, dem DMK sind die Hände gebunden.

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10 Kommentare

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  • Es wäre nett wenn Journalisten den gravierenden Unterscheid zwischen Rohmilch und Milch besser darstellen.

    Zwischen diese beiden Produkten liegen Welten.

    Die Aussage "Nur 27 Cent hat das DMK dagegen den ErzeugerInnen pro Liter im Juni gezahlt" ist verwirrend da normalerweise nach Gewicht und nicht nach Liter abgerechnet wird.

     

    Die Preise für einigermaßen guten Käse sind in Anbetracht das Milchbauern so wenig Geld erhalten,

    eine bodenlose Frechheit.

    Hier sollte einmal das Bundeskartellamt das Molkerei-Kartell und deren Preisabsprachen untersuchen und zerschlagen.

    Was wenige wissen, es gibt in Husum den weltweiten Hersteller für alle möglichen Käsebakterien, damit dieser immer gleich schmeckt.

    Der Standard Industrie Käse für den Konsumtempel ist sein Geld nicht wert.

  • Es ist eigentlich leicht abzusehen, wohin die Entwicklung führen wird. Es wäre Aufgabe einer Regierung, sei es der nationalen oder - ggfs. mit einigem heftigen Druck - der EU, Konzepte zu entwickeln, die dem Zwang zu immer noch größeren, billigst und schmutzig produzierenden Landwirtschaftsfabriken gegensteuern. Statt dessen bemüht sich die Politik nach Kräften, das Problem durch überflüssige und dümmliche Freihandelsabkommen noch zu verschärfen.

     

    Ich wünschte mir, unsere Bauern agierten ähnlich entschlossen wie die französischen. Wobei das Blockieren von Autobahnen nicht unbedingt das Mittel der Wahl sein muss (origineller fand ich da schon die Idee, lebende Schweine durch die Schnäppchen-Tempel zu treiben), aber ein Aufmarsch tausender Traktoren mit mistgabel- und dreschflegelbewehrten Insassen an passenden Orten hätte schon was. Vielleicht wäre die Polizei denen gegenüber ja genauso verständnisvoll wie z.B. gegenüber dem Nazipack in Dresden und anderswo.

  • Der Preisverfall von Milch und Milchprodukten hat auch einige bedeutsame Vorteile: Irgendwann lohnt es sich in diesem Bereich einfach nicht mehr, Rinder noch weiter zu schinden, mittels Antibiotika im Futter usw. immer mehr mutliresistente Keime zu züchten und dem Endverbraucher immer mehr Produkte anzudrehen, in denen alles mögliche drin ist, nur nicht das, was draufsteht.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Es ist für den Normalverbraucehr kaum nachvollziehbar, warum leichtverderbliche Milchprodukte auf dem Weltmarkt konkurrieren müssen. Mit kleinen Molkereien, die ihre Produkte in die nähere Umgebung verkauft haben, war früher die Welt für alle in Ordnung. Hier wurden faire Bedingungen für jeden von einer korrupten und inkompetenten Politik an eine unersättliche Industrielobby verkauft. Den wahren Preis zahlen die Bauern, die Tiere und die Umwelt.

    • @774 (Profil gelöscht):

      "war früher die Welt für alle in Ordnung"

      Damals gab der durchschnittliche Deutsche 56 % seines Einkommens für Lebensmittel aus, heute 11%.

      Die Konkurrenz schafft Effizienz! Man sollte nicht an den Ast sägen, auf dem man sitzt

      • @Bauer :

        Solange das Weltbild eines Landwirtes darin besteht, in kürzester Zeit mit seinem Wissen und Instrumenten höchste Erträge in kürzester Zeit zu produzieren, egal wie die Folgen für Umwelt und Mitmensch sind , hängen sie noch in der Vergangenheit fest. Der Effizienzbegriff in der Nahrungsmittelerzeugung wird sich verändern in der Zukunft mit ihren begrenzten Ressourcen.Die Landwirtschaft hätte eine neutale Bewertung des Begriffes Effizienz dringend nötig.Da stochert auch die Wissenschaft noch im diffussen Nebel der Unkenntnis und Denkblockaden und bietet den Wachstumsfanatikern keine Grenzen und Alternativen für die Übrigen.

  • Neuseeland 27 cent/Liter bei Ganzjahresbeweidung. Der deutsche Milchbauer setzt auf Kraftfutter, Gensoya, Harnstoff und krank gezüchtete Hochleistungskühe und möchte dafür mehr als die Neuseeländer für die Heumilch ???

    Die Proteste sollten sich gegen die Landwirtschaftsberater, die Lehrer an den Unis und Schulen und den Bauernverband richten.

    • @Manni:

      Unbestritten gibt es denselben Prozentsatz an Erdbeerbetrieben, welche ihre Leute nicht richtig bezahlen, wie an Milchviehbetrieben oder Schweinemastbetrieben oder Geflügelbetrieben, welche ihre Tiere wie unter aller Sau behandeln. Solche Betriebe werden von unserem Berufsverband nicht vertreten. Wer solche Betriebe sucht, der findet sie auch, leider. Das ist aber mittlerweile Masche einer ideologischen Richtung, welche ihren Erfolg auf Ängsten aufbaut: Seit die Kernkraft bei uns passé ist, sind die Bauern die idealen Ersatzsündenböcke für angstbasierte Hetzkampagnen.

    • @Manni:

      Hey, hab 1,5 Jahre in Neuseeland auf verschiedenen Milchbauernhoefen gearbeitet und ich kann dir versichern ganzjaehrige Weidewirtschaft hoert sich besser an als es ist... vor allem wahrend der Wintermonate und die weiten tagelichen Wege. Auch in auf in Bezug auf Genetik steht Nz in nidhts nach, teilweise 55liter pro Tag Die Kuhe bekommen ausserdem auch Kraftfutter im Melkstall und Palmkernel aus Asien. Es ist wichtig kleine Bauerhoefe bei uns am leben zu erhalten. Nur mit klein strukturierter Landwirtschaft kann man sozial und oekologisch wirtschaften