piwik no script img

Vielen Kinderschutzstellen ist das Phänomen unbekannt

Missbrauch Kampagne gegen Kindesmissbrauch in Hotels: das Interesse Berliner Hoteliers ist gering

Ein falscher Vater reist mit „seinem“ Kind in einem Berliner Hotel an. „Wir freuen uns schon sehr auf unsere Tage in der Hauptstadt, meine Tochter und ich“, sagt er zu der Dame an der Rezeption. Die „Tochter“ sagt kein Wort, wirkt ängstlich, verschreckt. Die Rezeptionistin wird misstrauisch – und gibt dem Mann dennoch ein Zimmer. Der nutzt die anonyme Situation des Hotels aus, missbraucht das Mädchen …

Isabella Hankel von der Stiftung Kinderblick aus Leipzig zufolge sind solche Fälle keine Seltenheit. Die Stiftung hat eine Kampagne gegen Kindesmissbrauch in Hotels initiiert. Hauptbestandteil der Kampagne: die Sensibilisierung des Hotelpersonals.

Die soll durch Schulungen verbessert werden. Die Stiftung stellt das Schulungsmaterial zur Verfügung. Nach den Schulungen können die HotelmitarbeiterInnen ihren Wissensstand mittels eines Onlinetests überprüfen. Für bis zu zehn MitarbeiterInnen ist das Material kostenlos.

Seit Anfang Juni gibt es die Kampagne nun auch in Berlin. Bisher ist die Beteiligung allerdings gering. Nur fünf Hotels wollen ihr Personal schulen. Dabei sind im Hotel- und Gaststättenverband Berlin rund 450 Hotels organisiert.

Michaela Piotrowski, Projektleiterin des Verbands, vermutet, dass es unter den Hoteliers noch Vorbehalte gegenüber der Kampagne gibt: „Es ist ein sensibles Thema. Viele Hotels befürchten einen Imageverlust.“ Stiftungsmitarbeiterin Hankel bestätigt diese Einschätzung: „Berlin ist ein wunder Punkt. In Berlin sind wir nicht auf offene Ohren gestoßen.“

Laut Polizeisprecher Stefan Petersen gibt es keine verlässlichen Zahlen zum Kindesmissbrauch in Hotels der Stadt. Die Ursache: Das Delikt wird in der Kriminalstatistik nicht gesondert erfasst. Es fällt unter Kindesmissbrauch im Allgemeinen. Den meisten Kinderschutzstellen ist das Phänomen nicht bekannt. „Das ist bei uns kein Thema“, sagte Uwe Bock-Leskien vom Kindernotdienst.

Drehort für Pornografie

Für Iris Hölling, Geschäftsführerin von Wildwasser, einer Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen, ist das Problem hingegen nichts Neues. „Aus unserer Beratungspraxis können wir bestätigen, dass es solche Fälle gibt“, sagte sie. Dazu gehöre auch die Produktion von Kinderpornografie beziehungsweise Miss­brauchs­abbildungen.

Für das Steglitzer Best Western Plus Hotel, ein Vier-Sterne-Haus, war die Gefahr, dass in einem seiner 200 Zimmer Kinderpornografie produziert werden könnte, denn auch ausschlaggebend dafür, an der Kampagne teilzunehmen: „Wir wissen, dass Kinderpornos besonders oft in Hotels gedreht werden“, sagte Alexander Stolle, Verkaufsmanager des Hotels.

Wildwasser-Geschäftsführerin Hölling zufolge sollte auch die Möglichkeit, dass Hotelmitarbeiter zu Tätern werden, in Erwägung gezogen werden. „In Hotels gibt es Risikofaktoren für Kinder. Dazu gehört auch der Zugang des Hotelpersonals zu den Zimmern“, sagte sie. Philipp Idel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen