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Raven im Wolkenbruch fällt aus. Und der Sperrmüll-Chic neuerer Clubs lässt Touristen weiter frohlocken: „Oh! It’s so Berlin!“Magdalena und Else, Birgit & Bier

Foto: privat

Ausgehen und Rumstehen

von Andreas Hartmann

Früher, zu Bar-25-Zeiten, hätten sich an einem gemütlichen Sonntagnachmittag zur besten After-Hour-Zeit bei einem Wolkenbruch einfach alle auf dem überdachten Dancefloor versammelt, vielleicht erst recht noch eine E geklinkt und einfach weitergemacht. Dieses Raver-Ethos scheint in all den alten und neuen Strandbar-Biergarten-Bar-25-Gedächtnisclubs rund um das Spreeufer in Friedrichshain-Kreuzberg etwas verloren gegangen zu sein.

Wer nach dem großen Regen am Sonntag aus dem Berghain stolperte, um nach dem kurzen Unwetter bei erneut aufziehender Schwüle noch ein wenig typisches Berliner Open-Air-Rave-Feeling mitzunehmen, hatte es wirklich nicht leicht. Die Magdalena am Ufer, der vor Kurzem eröffnete Maria-Nachfolger in der Nähe zum Treptower Park, hat seine „Sonntags Zeremonie“ kurzfristig gleich ganz abgesagt. Der Wetterbericht kündigte ein wenig Regen an, und schon ließ man es lieber ganz bleiben mit dem Open Air.

Nur gut, dass die ganze Gegend zwischen ehemaliger Bar 25 und der neuen Magdalena inzwischen ein einziges Rumhäng-Areal für Nachmittagsraver ist. Ob im Yaam, im Haubentaucher, in der eben erst eröffneten Strandbar Pampa oder auf dem ehemaligen Bar-25-Gelände: überall kann man hier chillen und raven.

Aber während früher in der Bar 25 sonntags zur Kaffee-und-Kuchen-Zeit alle mit tellergroßen Pupillen über den Dancefloor stolperten, ging es zu dieser Uhrzeit beim wenigstens nicht abgesagten Open Air des verdienstvollen Berliner House-Labels Pokerflat in der Else an diesem Sonntag ziemlich gediegen her. In der Magdalena blieben die Liegestühle leer, in der Else, die sich gleich daneben befindet, hingen ein paar Leute eher gelangweilt in den Strandkörben rum. Wieder ein paar Meter weiter, in der Mutter aller Berliner Party-Strandbars, im Club der Visionäre, war da schon etwas mehr los, es bewegten sich immerhin um die acht Tänzer zaghaft zu housigen Klängen.

Sondermüll-Sofas

Über das, was auf dem Gelände der ehemaligen Bar 25 entstehen soll, nämlich der sogenannte Holzmarkt, kann man zwar geteilter Meinung sein, aber immerhin entsteht hier etwas Neues; etwas, was es auch vom Stil her so noch nicht gibt in Berlin. All die neuen Open-Air-Rave-Strandbars und Biergärten im Berliner Trash-Look reproduzieren dagegen immer nur weiter die berühmt gewordene Bar-25-Ästhetik, diese Mischung aus Do-it-yourself-Charme und Sperrmüll-Chic. Das White Trash, das es gleich hier um die Ecke zum Club der Visionäre ja auch noch gibt, sieht mit seinen ganzen Schrottskulpturen sogar so aus, als könnte man hier den nächsten Teil von „Mad Max“ drehen.

Das vor Kurzem eröffnete Birgit & Bier, auch in der Gegend gelegen, sieht aber nun endgültig so aus, als wurde das ganze Gerümpel der Bar 25 einfach hierher transferiert und um 30 alte Sofas von der Sondermülldeponie erweitert. Auf dem riesigen Areal sieht alles so improvisiert aus, dass wirklich jeder Tourist sagen wird: „Oh! It’s so Berlin!“. Aber auch hier, wo diverse DJs charity-mäßig für Erdbebenopfer in Nepal auflegen sollten, war Sonntagnachmittag noch gar nichts los. Der DJ legte auf für einen Typen, der auf einem der Sofas auf einem ausrangierten Karussell rumhing. Für ein paar Minuten setzte ich mich dann halt einfach dazu.

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