Schlange stehen in Athen

SCHULDENKRISE Griechenland steht vor neuen Herausforderungen: Die Banken öffnen wieder, aber die Restriktionen bleiben weitgehend erhalten. Höhere Mehrwertsteuer

DDR-Bürger kennen das: Wer Bargeld braucht, muss anstehen Foto: Thanassis Stavrakis/ap

AUS ATHEN Jannis Papadimitriou

Schon in den frühen Morgenstunden kam es zu langen Schlangen vor griechischen Bankfilialen. Nach einer Zwangspause von drei Wochen wagen die Kreditinstitute den Neustart und öffnen am Montag wieder für den Publikumsverkehr – erste Erleichterungen für die Kunden.

Allerdings bleiben fast alle Kapitalkontrollen und Restriktionen weiterhin bestehen: Die bisherige Obergrenze von 60 Euro pro Person und Tag bei Geldabhebungen bleibt in Kraft. Immerhin wird auch eine Wochenobergrenze von 420 Euro auf einen Schlag eingeführt. Mit anderen Worten: Man muss nicht jeden Tag neu anstehen, um seine 60 Euro abzuheben, sondern darf sich auch durch eine einzelne Bargeldabhebung einen Vorrat an­legen. Für Ausländer gelten derartige Beschränkungen nicht. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die Hochsaison im griechischen Tourismusgeschäft trotz Kapitalkontrollen weiterhin reibungslos verläuft.

Für griechische Bankkunden bleiben jedoch Auslandsüberweisungen tabu – mit zwei Ausnahmen: Für ein im Ausland studierendes Kind oder für eine dringliche ärztliche Behandlung seien ab sofort Überweisungen von bis zu 5.000 respektive 2.000 Euro zulässig. In den vergangenen drei Wochen waren derartige Bankgeschäfte nur nach vorheriger Genehmigung einer Sonderkommission im Finanzministerium möglich.

Festgeldanlagen dürfen weiterhin nicht gekündigt und wieder zu Bargeld gemacht werden, doch auch hier winkt eine Sonderregelung: Wer dem Staat, insbesondere dem Finanzamt, Geld schuldet und keine andere Einkommensquelle hat, der darf ausnahmsweise an das Festgeld ran, um seine Schulden rechtzeitig zu tilgen.

Was die Kapitalkontrollen auch immer vorsehen – ab Montag brauchen die Griechen mehr Geld, um über die ­Runden zu kommen. Denn ab sofort wird die Mehrwertsteuer auf 40.000 Artikel und Dienst­leistungen deutlich erhöht – von 13 auf 23 Prozent. Betroffen sind unter anderem Fleisch, Speiseölsorten, Kaffee, Tee, Kakao, Essig, Feuerwerkskörper, Toilettenpapier und Kondome.

Tsipras-Freund Paul Krugman vermisst einen Plan B der Regierung

Nach Berechnungen des Athener Instituts für Einzelhandelsforschung bringt diese Steuererhöhung für jede griechische Familie eine Mehrbelastung von mindestens 157 Euro im Jahr mit sich. Um weitere Beispiele zu nennen: Ein Souvlaki mit Schweinefleisch, das Nationalgericht der Griechen, ist nicht mehr ab 1,60, sondern ab 1,74 Euro zu haben. Ein Kilo Zucker gibt’s für 0,87 Euro statt 0,80 Euro. Ein Kilo Rindfleisch kostet im Supermarkt 8,60 Euro statt 7,90.

Große Handelsketten werben schon damit, dass sie die Steuer­erhöhung einpreisen und ihre Preise nicht ändern, doch für die meisten Einzelhändler gibt es keinen anderen Weg: Sie müssen die Preiserhöhungen an die Kunden weitergeben. Und das ist nicht alles: Ein Busticket in Athen kostet 1,30 Euro statt bisher 1,20 Euro – allerdings wird diese Preiserhöhung vermutlich auf den September verschoben. Auch die Hotellerie und Gastronomie will die laufende Hochsaison im Tourismusgeschäft erst mal abwarten und die Preis­erhöhungen erst ab Oktober weitergeben.

Ernüchterung ist mittlerweile auch bei guten Freunden des griechischen Ministerpräsidenten eingekehrt: US-Nobelpreisträger Paul Krugman, der bisher Partei für Tsipras ergriff, zeigt sich nun enttäuscht über die Athener Regierenden: „Sie haben erstaunlicherweise geglaubt, dass sie bessere Bedingungen aushandeln könnten, ohne einen Notfallplan in der Tasche zu haben“, erklärte der Ökonom in einem Fernseh­interview. Doch nun habe Griechenland mit dem dritten Rettungspaket „deutliche schlechtere Bedingungen“ hinnehmen müssen, was natürlich „ein Schock“ sei.