Schludrige Infos zu riskanten chemischen Substanzen

REACH Fast 60 Prozent der Anträge im Rahmen der Chemikalienrichtlinie sind unvollständig

Die Daten sollen helfen, die Gefährlichkeit von Stoffen zu beurteilen

BERLIN taz | Wie giftig ist eigentlich Seltene Erde für das Grundwasser? Welche Langzeitwirkungen kann es haben, wenn mein Kind immer wieder an der Kugelschreibermine lutscht? Solche und ähnliche Fragen beantworten helfen soll eigentlich die europäische Chemikalienverordnung REACH: Seit 2010 müssen Unternehmen Substanzen, die sie verwenden, bei der Europäischen Chemialienagentur ECHA registrieren lassen – und dabei genau aufgeschlüsselte Dossiers zu deren Umwelteffekten einreichen.

Jetzt haben das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung untersucht, welche Informationen tatsächlich vorgelegt wurden. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Unterlagen erfüllt mindestens eine der Datenanforderungen nicht.

Damit fehlen bei etlichen Chemikalien wichtige Grundlagen, die notwendig wären, um zu bewerten, wie giftig sie für Mensch oder Umwelt sind. „Hier müssen die Unternehmen nachbessern“, fordert UBA-Präsidentin Maria Krautzberger.

Die UBA-Experten hatten 1.814 Dossiers für wirtschaftlich wichtige chemische Sub­stanzen überprüft, die bis 2010 eingereicht worden waren. Die Unterlagen sollen klären, wie die Stoffe in der Umwelt abgebaut werden, wie sie auf die Fortpflanzungs- und Entwicklungsfähigkeit einwirken, wie sich ihre Giftigkeit bei Anreicherung verändert, ob sie Krebs erzeugen oder Erbgut schädigen können. 58 Prozent davon waren an mindestens einem Punkt unbeantwortet, falsch oder ungenau, 27 Prozent sogar an mindestens zwei Stellen.

In 42 Prozent der Dossiers verzichteten die Hersteller zum Teil auf eigene Analysen und verwiesen auf Daten zu ähnlichen Stoffen. Das ist prinzipiell möglich, etwa wenn dadurch doppelte Tierversuche vermieden werden können. Das UBA will in einer Folgestudie prüfen, ob die genannten Gründe tatsächlich wissenschaftlich plausibel sind.

Die ECHA selbst prüft nur stichprobenartig bei 5 Prozent der Unterlagen, ob sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Sie hatte zuletzt 283 solcher Checks durchgeführt – und ebenfalls in rund 60 Prozent der Fälle ­fehlende Daten nachgefordert. bw