„‘Du musst nur wollen‘ funktioniert nicht.“ (“Spiegel Online“ zu Griechenland) Foto: Laage/imago

Pavlos Tsakos rettet Griechenland

SPIEL Nach den Verhandlungen ist vor der Veränderung: Nun soll Griechenland „fit“ und „wettbewerbsfähig“ gemacht werden. Das neue Sportspiel „Athletics 2: Summer Sports“ eignet sich, um die Fitness zu testen

von Maik Söhler

Kaum ist der Gegner unterworfen, wird er auch schon gedemütigt. Wenige Tage nach der Einigung zwischen der EU und Griechenland wenden sich viele Medien vom ökonomischen Desaster und der alltäglichen Not ab und nehmen lieber die Peitsche in den Blick: „Ganze Berufsgruppen schotten sich vom Wettbewerb ab“, weiß der Tagesspiegel über die griechische Arbeitswelt zu berichten. Was kann man denn tun, „um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen?“, fragen die Stuttgarter Nachrichten und sehen vor lauter Wirtschaft Tausende Firmenpleiten nicht mehr. Jetzt sind Aktivitäten gefragt. „Man darf durchaus skeptisch sein, ob die Regierung in Athen nun tatsächlich die Chance, das Land fit für die Zukunft zu machen, zu nutzen bereit ist“, sagt Christoph Schmidt vom Sachverständigenrat der Bundesregierung der FAZ. Das Land soll nicht nur „fit gemacht“ werden, die FAZ hat auch erkannt, worum es den Griechen wirklich geht: „Den eklatanten Widerspruch zwischen Sparversprechen und Referendums-Nein zum Sparen nehmen sie sportlich.“

Wettbewerb, fit machen, etwas sportlich nehmen. Damit es nicht nur bei kruden Metaphern, stumpfen Leistungsparolen und „leeren Versprechen“ Griechenlands (Schwäbische Zeitung) bleibt, macht die taz den Härtetest. Wie fit ist Griechenland? Kann das Land überhaupt im Wettbewerb bestehen? Oder sich zumindest in urgriechischen Konkurrenzkämpfen wie Triathlon, Pentathlon und Decathlon behaupten? Werden nicht nur Widersprüche sportlich genommen, sondern auch Disziplinen wie 1.500-Meter-Lauf, Hammerwerfen und Turmspringen?

Das gilt es zu überprüfen. Im neuen Computerspiel „Athletics 2: Summer Sports“ tritt Griechenland nun in 30 Einzeldisziplinen sowie in mehreren Kombi-Wettbewerben an. Die Wahl fällt auf dieses Spiel, weil es nur 1,99 Euro kostet. Ramschniveau. Das sollte selbst für die Troika annehmbar sein, die die Ein- und Ausgaben Griechenlands streng überwacht. „‘Du musst wollen‘ funktioniert nicht“, schreibt Spiegel Online über Griechenland und hat Recht. Du musst schon können. Ein ganz besonderer Athlet tritt für die Griechen an. Vergessen Sie Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis, hier kommt Pav­ los Tsakos, ein sportlicher Allrounder, der laufen, springen, werfen, schießen, schwimmen, rudern und fechten kann.

Emsig laufen

Erste Disziplin: 100-Meter-Lauf. Ganz schön zackig, dieser Pavlos Tsakos, knapp über zehn Sekunden, Rang 4 von 8. Nun 110 Meter Hürden, guter Sprint, schlechte Sprungtechnik, 6. Platz. 400-Meter-Lauf: Platz 3, den Griechen scheint die Mittelstrecke mehr zu liegen als die Kurzstrecke. Und schon stürzt das Spiel ab. Haben „die Institutionen“ den Griechen jetzt auch noch den Strom abgestellt? Neustart, Staffellauf, 4 mal 100 Meter: nur der 6 Platz. Gleiche Platzierung beim 1.500-Meter-Lauf. Wie fasst man das am besten zusammen? „Auch die Griechen laufen emsig“, schreibt die Welt. Lässt sich so sagen.

Genug gelaufen, es wird gesprungen. Mit dem Weitsprung kommt Tsakos nicht zurecht. Nur 7. Vielleicht Hochsprung? 3. Platz, immerhin. Nun Stabhochsprung – „jetzt sagen wir mal Oxi“, brüllt die Bild-Zeitung dazwischen und versucht die Konzentration des Athleten zu stören. Bringt alles nichts. Tsakos gewinnt, erster Sieg für Griechenland. Aufs Springen folgt das Werfen. Werfende Griechen? „DAS ist die wahre Gefahr für den Zusammenhalt Europas“, kommentiert Bild. Doch Tsakos erweist sich beim Dinge-durch-die-Gegend-schleudern als ungeeignet: 7. beim Speerwerfen, 4. beim Kugelstoßen, 8. und damit Letzter mit Hammer und Diskus. Hier könnte gezielte Sportförderung nutzen – „doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte Nein“ (taz).

Die Leichtathletik ist geschafft. Und nun? „Jetzt drohen in Athen Straßenkämpfe“, schreibt Focus Online. Siehe da: Pavlos Tsakos greift zur Waffe. Bogenschießen, dreimal in den Neunerring, neunmal in den Zehnerring, Platz 1. Sportschießen mit der Pistole, 2. Platz. Schießen kann der Grieche. Wären die Verhandlungen zwischen Tsipras und der EU anders ausgegangen, wenn … Nein! Tsakos versagt mit der Schnellfeuerpistole ebenso wie beim Tontaubenschießen, zweimal 7. Platz. Selbst der deutsche Teilnehmer Hans Hecker, sonst nur stark beim Werfen schwerer Dinge (Kugel, Hammer), liegt vor dem Griechen.

Ist jetzt die Krise wieder da? Ach was, es wird noch schlimmer. Wasserspringen, zuerst vom Dreimeterbrett, dann vom Zehnmeterturm. Tsakos ist auf einmal eine Frau – warum, weiß niemand –, kommt mit dieser Verwandlung nicht klar und versemmelt die Salti und Schrauben. Zweimal Platz 8, ein Debakel. Noch im Wasser kommt die Wende. 50, 200 und 4 mal 100 Meter Schwimmen: 1. Platz. Über 100 Meter Platz 2. Und der deutsche Hecker? Bild bekennt: „Deutschland ist der Buhmann.“

Schnell rüber zum Rudern. Platz 1 über 500 Meter, nur Platz 3 über 1.000 Meter. „Das Sparschwein ist auch in Griechenland beliebt, zumindest bei Kindern“, schreibt die Süddeutsche Zeitung und liegt falsch. Tsakos hat bewusst Kräfte gespart für das anstrengende Restprogramm. Denn gleich geht es weiter. Bahnradfahren Sprint (1. Platz), Bahnradfahren Team (1. Platz), Einerverfolgung (2. Platz), die Bahnradvariante Keirin (3. Platz). Die Süddeutsche hat nun endgültig den Überblick verloren: „Die vielen Zahlen belegen, dass Deutschland hohe Risiken eingeht.“ Alles Quatsch, es geht nicht um Deutschland, es geht ums Fechten. Tsakos ist überragend; beim Gewichtheben dagegen nur Mittelmaß.

Die Idee: Ein neues digitales Spiel und Philosophie, Literatur, politischer Theorie oder Mediendiskursen kombinieren.

Das Spiel: Das Sportspiel „Athletics 2: Summer Sports“ von Tangram 3D ist Ende Juni 2015 erschienen. Für 1,99 Euro im AppStore erhältlich, läuft auf iPad, iPod Touch und iPhone.

Die Literatur: Alle Zitate sind der medialen Diskussion der letzten Wochen zum Thema Schuldenkrise in Griechenland entnommen.

Reif für den Wettbewerb

30 Sportarten hat das Multitalent Tsakos mittlerweile absolviert. Nun wird in sogenannten Wettbewerben kombiniert. Triathlon meint in „Athletics 2“ nacheinander zu sprinten, mit dem Bogen zu schießen und weitzuspringen. Er wird Dritter – hinter Hans Hecker, der sich von Wettbewerb zu Wettbewerb steigert, wie sich Schäuble von Verhandlungsrunde zu Verhandlungsrunde zu steigern wusste. „Die Spannungen zwischen den Ländern sind kaum noch auszugleichen“, meint die Süddeutsche.

Beim Quadrathlon (50 Meter Schwimmen, Sportschießen, Hürdenlauf und Speerwerfen) holt Tsakos noch einmal alles aus sich raus. Er steht oben auf dem Podest und wird beim Pentathlon (400-Meter-Lauf, Tontaubenschießen, Diskus, Turmspringen, Hürden) immerhin Dritter. Heptathlon und klassischer Zehnkampf lassen sich nicht mehr spielen, weil die Software des Spiels versagt. Woran das wohl liegt? „Systemabsturz bei 200.000: Griechenland zählt seine Beamten“, mutmaßt N24.

Was soll’s. Genug gespielt. Pavlos Tsakos hat gezeigt, dass Griechenland wettbewerbsfähig ist und dass es dem Land an Fitness nicht mangelt. Die Griechen sind rehabilitiert.