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Sachsen ringt um sein Image

Asylpolitik Sachsen ist Spitze – bei Anschlägen auf Heime. Auch die CDU erkennt nun das Problem

Ministerpräsident Tillich wendet sich Flüchtlingen zu   Foto: Peter Endig/dpa

DRESDEN taz | Endlich hat auch Sachsen ein Konzept für die Erstaufnahmeeinrichtungen von Asylbewerbern. Endlich verurteilt auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) vergangene Woche in einer Regierungserklärung Rassismus als „Schande“ und „Nährboden für Verbrechen“.

Die regierende CDU hat bisher zwischen Rechtspopulismus und christlich-humanitären Bekenntnissen laviert und damit zur Polarisierung im Land beigetragen. Und das fällt nun auf sie zurück.

Auch Kommunalpolitiker der Union unterdrücken oft mühsam ihren Groll gegen Innen­minister Markus Ulbig (CDU), der als überfordert gilt. Das in der ersten Juliwoche von Ulbig vorgelegte Konzept für die Erstaufnahme von Flüchtlingen sieht vor, dass neben der bislang einzigen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz , die völlig überfüllt ist, zusätzliche Plätze in Leipzig, Dresden und Chemnitz geschaffen werden. Flexible Reserve­standorte erhöhen die Kapazität. In Sachsen sind derzeit 20.700 Asylbewerber registriert.

Wie ankommende Flüchtlinge hier empfangen werden, lässt sich allerdings nicht administrativ verordnen. SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig sprach bereits von einem „Rassismusproblem“. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Petra Zais beobachtet gar eine „rassistische Grundstimmung“ in Sachsen.

Eine jüngst von der Staatsregierung in Auftrag gegebene Umfrage stellt zwar allgemeine Zustimmung zur Aufnahme politisch oder religiös Verfolgter fest. Im Bundesvergleich sehen aber deutlich mehr Sachsen Probleme bei deren Akzeptanz und praktischer Integration. Noch deutlicher wird eine vom Stern und der Amadeu Antonio Stiftung erarbeitete Statistik zu Hetze und Gewalt gegen Ausländer. Sachsen liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Hier wurden bis zum 30. Juni 5 von insgesamt 11 Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt. Nach Angaben von Polizeipräsident Bernd Merbitz, der das zuständige Operative Abwehrzentrum mit etwa 100 Beamten leitet, werden zwar rund 70 Prozent dieser Straftaten aufgeklärt. „Die Täter wachsen aber immer wieder nach, das ist das Problem“, räumt er ein.

Der SPD-Landeschef spricht von einem „Rassismusproblem“

Die alarmierenden Signale haben nun in der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause zu einer offenen Asyldebatte und den ungewohnt deutlichen Worten des Regierungschefs geführt. Der Klärungsbedarf in den CDU-Reihen klang dabei aber nur am Rande an. So hatte ein Interview des aus dem Erzgebirge stammenden Landtagsabgeordneten Ale­xander Krauß (CDU) ein heftiges Echo ausgelöst. Krauß hatte suggeriert, dass die meisten Flüchtlinge in betrügerischer Absicht kommen. „Wer keine Papiere hat oder seinen Namen vergessen hat, sollte sofort im Gefängnis untergebracht werden“, forderte er. Michael Bartsch

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