LEUCHTEN DER MENSCHHEIT von CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK: Ende einer Ära in der Fotografie
Bang-Bang-Paparazzi“ titulierte das südafrikanische Lifestyle-Magazin Living 1992 herablassend eine Gruppe von vier Fotografen, die täglich ihr Leben riskierten, um die brutalen Auseinandersetzungen während des Übergangs zum Neuen Südafrika zu dokumentieren. Die Fotografen griffen den Schmähbegriff auf und nannten sich von da an „Bang-Bang Club“.
Jetzt ist endlich das hochspannende Buch, in dem zwei von ihnen, Greg Marinovich und Joao Silva, die Zeit, den Konflikt und ihre eigene Rolle reflektieren, auf Deutsch erschienen. Staunend liest man in „Der Bang-Bang Club. Schnappschüsse aus einem verborgenen Krieg“ (Verlag Das Wunderhorn, 2015), dass die Fotografien nur deshalb gedruckt werden konnten, weil man sich bei AP in London beherzt über die Order aus dem US-Hauptsitz der Agentur hinwegsetzte, den Abnehmern keine allzu blutigen Bilder anzubieten.
Der Band enthält einige der zum Teil ikonografischen Bilder aus dieser Zeit. Die beiden Fotografen berichten nicht nur von dem weitgehend vergessenen Stück südafrikanischer Geschichte, als sich nach der Freilassung Mandelas 1990 und dann mehr als vier Jahre lang in den Townships rund um Johannesburg Anhänger des ANC und der Inkatha Freedom Party unter augenfälliger Nichteinmischung der Sicherheitskräfte des Apartheidregimes gegenseitig regelrecht abschlachteten. Der Band umfasst nicht nur einen Lebensabschnitt von vier jungen weißen Männern, die plötzlich beginnen, gegen die absichtsvolle Destabilisierung des Landes Partei zu ergreifen, sowie ihren Kampf gegen Schlafstörungen, Albträume, Depressionen und Drogenabhängigkeit, wie uns der Spielfilm „Der Bang-Bang Club“ (2010) glauben machen will. Er setzt auch nicht bloß den Toten der Gruppe ein Denkmal, die zeitnah zu den Wahlen 1994 ums Leben kamen – Ken Oosterbroek im Kugelhagel, Kevin Carter durch Suizid. Das Buch zeugt auch vom Ende einer Ära in der Pressefotografie, um die man ruhig trauern darf.
„War Porn“ betitelte Christoph Bangert seinen voriges Jahr erschienenen Fotoband. Darin: ausdrucksstarke Fotos aus Kriegen und Krisengebieten, für die ihn schon seit Jahren keine Agentur, keine Zeitung mehr bezahlt. Leicht sarkastisch, zielt der Titel – „Kriegspornografie“ – auf eine Öffentlichkeit, die professionellen Fotojournalisten immer schriller ethische rote Linien zieht und im Gegenzug mehr Bilder von Bürgerjournalisten bezieht, aber eben auch zunehmend von der Propagandamaschine verschiedener Kriegsparteien.
Fotoagenturen und -redaktionen jedenfalls kann der dänische Publizist Ulrik Haagerup nicht meinen, wenn er jetzt die „Negativität“ in den Medien beklagt. Egal, was man von seiner Forderung nach einem „konstruktiven“, lösungsorientierten Journalismus hält: Ausgebildete Fotografen, die nach ihrer eigenen Wahrheit von Nachrichten suchen und die man sich etwas kosten lassen muss, gehören dazu.
Die Autorinlebt als freie Journalistin in Hamburg
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