Europas Krise

Jetzt dringend nötig, in Athen ebenso wie in Brüssel: kühle Köpfe

Links, umgänglich – gerne auch mal laut

GRIECHENLAND Der neue Finanzminister Tsakalotos führt schon seit April die Verhandlungen in Brüssel

ATHEN taz | Eins wollten Euklid Tsakalotos und der bisherige Finanzminister Jannis Varoufakis schon vorneweg klarstellen: Sie seien gute Freunde und wollten es auch bleiben. „Ich hoffe, es wird Euklid“, hatte der scheidende Politiker noch am Montag gesagt, als er nach seinem Nachfolger gefragt wurde. Und so kam es auch.

Der 55-jährige Tsakalotos ist seit dem Sieg der linken Partei Syriza im Januar Teil der Regierung von Alexis Tsipras – zunächst als stellvertretender Außenminister und seit April als Chefunterhändler Griechenlands mit den EU-Partnern. Dass er nach dem Rücktritt von Varoufakis auch Finanzminister wurde, war der naheliegende, nächste Schritt. Tsakalotos hat internationales Format: Er ist in Rotterdam geboren, hat in Oxford studiert und wurde dort auch promoviert. Er hatte Forschungsaufträge in Großbritannien und blickt auf eine langjährige Lehrtätigkeit in Athen zurück. Seit dem Sommer 2012 sitzt er für Syriza im griechischen Parlament. Damals hatte Alexis Tsipras ihn in sein Schattenkabinett geholt; als Chefökonom der Syriza-Partei galt zu jenem Zeitpunkt der heutige EU-Abgeordnete Jannis Milios.

Tsakalotos hat den Ruf eines linken Ökonomen, der ein unkonventionelles Erscheinungsbild pflegt - auch wenn er, anders als sein Vorgänger, sein Hemd nie über der Hose trägt. Dafür besticht er immerhin mit bunten Hosen oder Accessoires.

Mal abgesehen von der Stilfrage, haben Tsakalotos und sein Vorgänger Varoufakis vieles gemein: Sie betrachten die aktuellen Wirtschaftsprobleme in Europa nicht (nur) als die Folge mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, sondern vor allem als ein Ergebnis demokratischer Defizite und politischer Fehlkalkulationen. Aus diesem Grund würde Tsakalotos am liebsten vermutlich nicht beim Klein-Klein ansetzen, etwa bei der Reform der Umsatzsteuer, sondern eher bei der „Demokratisierung der Eurozone“. Allerdings geht es ihm auch um die Bekämpfung von Korruption, Steuerbetrug und Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung.

Tsakalotos gilt als umgänglicher Mensch. Er ist vielleicht der einzige Top-Politiker der Linkspartei, der sowohl zu Varoufakis als auch zu dessen Vorgänger, dem heutigen Chef der griechischen Notenbank, Jannis Stournaras, ein besonders enges Verhältnis pflegt. In früheren TV-Shows und Live-Debatten ist der neue Finanzminister aber auch als streitbarer Wissenschaftler aufgetreten, der mit seiner Meinung nicht zurückhält und gerne auch lauter wird. Jannis Papadimitriou