Asylbetrug: „Da ist Eile geboten“
Die Senatsverwaltung für Soziales geht dem Betrugsverdacht bei Unterbringung von Flüchtlingen nicht vehement genug nach, meint die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram.
taz: Frau Bayram, Sie haben Unterlagen, die die Senatsverwaltung für Soziales Ihnen auf eine Kleine Anfrage hin geliefert hat, an die Staatsanwaltschaft gegeben. Sie hegen den Verdacht, dass Flüchtlingsheimbetreiber mit der zuständigen Behörde nicht sauber abgerechnet haben. Wäre das in dem Falle nicht Sache der verantwortlichen Sozialverwaltung selbst?
Canan Bayram: Das hätte ich tatsächlich eigentlich von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales erwartet, dass sie in dieser Sache Strafanzeige erstattet oder Strafantrag stellt. Denn sie ist ja die Geschädigte – beziehungsweise der Steuerzahler.
Worum geht es genau?
Aus der Antwort auf meine Anfrage geht hervor, dass in Flüchtlingsheimen der privaten Betreiber PeWoBe und Gierso Personal entweder nicht vorhanden oder nicht bei der Sozialversicherung angemeldet war. Dieses Personal wurde von den Firmen aber abgerechnet und vom Lageso auch bezahlt.
Behördenchaos
Nach Vorwürfen gegen das für die Flüchtlingsunterbringung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) wegen möglicher Bevorzugung zweier privater Heimbetreiber bestellte der verantwortliche Sozialsenator Mario Czaja (CDU) selbst externe Wirtschaftsprüfer zur Kontrolle. Keiner der geprüften Verträge blieb unbeanstandet. Gegen Lageso-Chef Franz Allert wird nach einer Strafanzeige bereits seit Längerem ermittelt. Nun geht aus einer kleinen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram hervor, dass das Amt sich mit der Verfolgung dieser Schäden nicht allzu viel Mühe gibt. (TAZ)
Um was für Summen handelt es sich?
Das sind für die Pewobe 162.000 Euro, für die Gierso 174.000, Summen, die sich über längere Zeiträume angesammelt haben. Dadurch ergibt sich meines Erachtens der Anfangsverdacht für einen Abrechnungsbetrug.
Betrogen hätten dann die Betreiber, die falsch abrechneten. Was ist mit den Behörden selbst?
Man kann sich fragen, warum falsche Angaben beim Personal, die ab Beginn des Jahres 2013 erfolgten, erst Mitte 2014 geltend gemacht wurden und erst ab 2015 dann das Geld zurückgefordert wurde. Ob die MitarbeiterInnen der Behörde das möglicherweise aufgrund von Überlastung nicht früher gemerkt haben, müsste die Staatsanwaltschaft prüfen.
Wenn die Staatsanwaltschaft zu den gleichen Schlüssen kommt wie Sie: Was passiert dann?
Sobald der Staatsanwaltschaft bekannt wird, dass etwas strafrechtlich Relevantes passiert ist, muss sie ermitteln. Und sie muss dann am Ende auch, wenn der Verdacht sich bestätigen sollte, ein Verfahren einleiten. Sollte sich herausstellen, dass sich jemand vorsätzlich bereichert hat, kann es dann etwa zu Geldstrafen kommen.
Die CDU wirft Ihnen vor, es ginge Ihnen vor allem darum, dass Köpfe rollen. Gemeint ist der Kopf von Senator Czaja. Ist das so?
Wenn der Schaden beziffert wird, der jetzt von den von Czaja selbst beauftragten Wirtschaftsprüfern ja schon abstrakt benannt ist, dann kann es sein, dass auch gegen Czaja Strafantrag wegen Untreue zu stellen wäre. Denn dann geht es darum, wer dafür verantwortlich ist, dass es den Leuten so leicht gemacht wurde, den Staat zu betrügen. Da werden sich Fragen stellen, etwa, ob es eine Überlastungsanzeige der Mitarbeiter des Lageso an Czaja gab, auf die der nicht reagiert hat. Oder hat er gar ein eigenes Interesse daran, dass diese privaten Betreiber weiter Aufträge erhalten? Es ist meine Aufgabe als Oppositionsabgeordnete, den Regierenden Fragen zu stellen, die sie immer wieder zu der Reflektion zwingen, ob sie ihren Aufgaben gewachsen sind.
Und Czaja ist das nicht?
Er hat wenig Ahnung von Verwaltung, wie man jetzt sieht, wenn er sich immer wieder so sorglos hinstellt und so tut, als ob er gar nicht versteht, was in seiner Behörde abgeht. Seit Czaja im Amt ist, hat er nichts getan, um die bestehenden Missstände in seiner Verwaltung abzustellen, und jetzt tut er so, als hätte er genug Zeit, die Dinge auf den Weg zu bringen. Aber aus der Antwort seiner Verwaltung an mich geht hervor, dass etwa Forderungen aus dem Jahr 2013 an die Heimbetreiber bestehen, die Ende nächsten Jahres verjähren können. Da ist Eile geboten und es braucht jemanden, der Verantwortung übernimmt.
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