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Solarflugzeug „Solar Impulse 2“ landetDas langsamste Symbol der Welt

Nur angetrieben von der Sonne überquert Impulse 2 den Pazifik. Es steht für eine neue Ära – so wie die Concorde für eine alte stand.

Im Anflug auf Hawaii: Solar Impulse 2 Foto: jean revillard/ap

Am Freitagabend hat André Borschberg Geschichte geschrieben. Nach über 7.000 Kilometern und 120 Stunden Flug setzte die „Solar Impulse 2” in Hawaii auf. „Niemand kann jetzt mehr sagen, dass Erneuerbare Energien nicht das Unmögliche vollbringen können”, sagte Borschberg, der Pilot und einzige Passagier. Er ist der erste Mensch, der den Pazifik nur mit der Kraft von Solarzellen überfliegt. Damit hat das Flugzeug die kritischste Etappe seiner Weltumrundung hinter sich - mit der Geschwindigkeit eines VW-Busses, ohne jeglichen Komfort.

Exakt diese Beschreibung passt auch zum Wright Flyer, dem ersten motorisierten Flugzeug. 1903 eröffnete es eine Ära von ungeahnter planetarischer Massenmobilität und Umweltzerstörung. Auch Solar Impulse will für eine neuen Ära stehen, für eine Epoche der erneuerbaren Energien, der Leichtigkeit und der Bescheidenheit. Das Flugzeug steht für eine Abkehr vom ewigen Diktat des immer Schnelleren, Größeren, des ewigen Wachstums.

Das zeigt der Vergleich mit einer anderen technologischen Ikone des 20. Jahrhundert, deren Ende mit dem Beginn für Solar Impulse im Jahr 2003 zusammenfällt. Damals flog die Concorde zum letzten Mal, jene grandios gescheiterte Unternehmung eines Überschallflugzeugs im Passagierverkehr. Die zwei Flieger haben nichts gemeinsam – und dennoch sind sie Sinnbilder des jeweiligen Jahrhunderts.

Die Concorde war eine Apotheose von Überheblichkeit und Verschwendung. Erhöhte Leistung und ausgereizte Beschleunigung gingen einher mit noch größerem Lärm und Luftverschmutzung – das Kennzeichen des 20. Jahrhunderts. Die Concorde wog 184 Tonnen, trug bis zu 100 Passagiere mit sich, donnerte mit 2.200 Kilometern in der Stunde in dreieinhalb Stunden von London nach New York und verbrauchte dabei 25.600 Liter Kraftstoff in der Stunde.

Marco Morosini

62 Jahre, promovierte an der Universität Ulm und ist Senior scientist an der ETH Zürich. Er befasst sich mit einer Politik der Energiebescheidenheit und mit Indikatorsystemen der nachhaltigen Entwicklung. Von ihm sind Filmen und Theater Shows, so wie Zeitungsartikel in mehreren Sprachen und Ländern. Zusammen mit Wolfgang Sachs hat er „Futuro sostenibile“ (1998 und 2011) adaptiert und herausgegeben - Italienische Versionen von „Zukunfstfähiges Deutschland“ (1996 und 2008), der zwei Studien des Wuppertal Institut. Seit 1992 ist er Berater von Beppe Grillo. (marcomorosino.eu)

Solar Impulse wiegt 2,3 Tonnen, obwohl es mit 72 Metern die Spannweite eines Jumbo-Jets hat. Der Flieger tingelt mit 90 Kilometern in der Stunde in fünf Tagen über den Pazifik und verbraucht dabei: nichts. 17.000 Solarzellen laden am Tag die Akkus auf, die vier Elektromotoren antreiben. Alles an dieser leise summende Technolibelle ist: leicht.

Doppelt so schnell, zehnmal so teuer

Mit ihren Ausmaßen und auch politisch war die Concorde dagegen ein Schwergewicht. Als gemeinsames Unternehmen der französischen und britischen Regierungen war sie Prestigeobjekt eines paneuropäischen Stolzes. „Ankommen, bevor man abgeflogen ist!“ sagte die Werbung. 400 Überschallflugzeuge würden im Jahr 2000 den Himmel durchkreuzen, hieß es in den 70er-Jahren. Eine einzige Übertreibung, wie das Flugzeug. Die Concorde war doppelt so schnell, der Kraftstoffverbrauch war drei Mal, die Passagierkosten bis zehn Mal höher wie bei herkömmlichen Flugzeugen.

Wegen seines Startlärms und des Ultraschallknalls war sie vielerorts verboten. Zudem wurde ihr die Ölkrisen der 70en zum Verhängnis. Fast alle Fluggesellschaften stornierten ihre Bestellungen. So trugen British Airways und Air France allein die Kosten von gerade mal einem Dutzend bei Auslieferung bereits überholter Flugzeuge.

Spieltheoretisch wurde der „Concorde-Trugschluss“ zum Synonym für eine Pattsituation, in der die fälligen Ausstiegskosten die bereits getätigten Investitionen übersteigen. „Too big to fail“ ante litteram. Auch wenn die beiden Regierungen die Tickets stark subventionierten, so vermochten deren Einnahmen die Betriebskosten nicht zu decken.

Kein Flugzeug, ein Statement

Das Solarflugzeug mag man dagegen als extravagantes Spielzeug betrachten: Niemand erwartet, dass mit Photovoltaik in den Flügeln Passagierflugzeuge betrieben werden können. „Solar Impulse soll demonstrieren, dass wir mit grüner Technik unglaubliche Dinge tun können“, sagt Bertrand Piccard, neben Borschberg Initiator des Projektes. Piccard ist der Schweizer Psychiater und Abenteurer, der als erster Mensch die Erde in einem Ballon umkreiste. Die Solar Impulse ist im Prinzip ein Kommunikations- nicht ein Luftfahrtprojekt. Piccard will Lösungen zeigen, begeistern, statt ständig über Klima- und Umweltprobleme zu reden.

Fakt ist: Moderne Solartechnik ist reif für die ambitioniertesten Herausforderungen. Das 21. Jahrhundert kann und muss das Jahrhundert der erneuerbaren Energien werden. Die Idee ist historisch bedeutend. In einer Welt voller Konflikte um Land, Ressourcen und Rohstoffe sind erneuerbare Energien eine Frieden stiftende Idee. Der Wandel ist ehrgeizig, er bedeutet eine epochale Wende für die Menschheit. Er ist ebenso pragmatisch, denn er enthält vielleicht den einzigen Ausweg aus der Klimakrise und weltweiten Konflikten um Energievorkommen.

Solar Impulse mag ein experimenteller Prototyp sein. Aber er steht für technologische Führung im Bereich erneuerbare Energien - ein etablierter, schnell wachsender Markt. Die Kosten für erneuerbaren Energien sinken ständig, die für atomare und die meisten fossilen Energien steigen. Noch für wenigen Jahren hielten viele für unmöglich, was Europa nun anstrebt: eine Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien, später eine vollständige Umstellung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Es ist kein Zufall, dass die Gründer von Solar Impulse, Schweizer sind – so wie die Technologie des Flugzeugs. Seit Anfang des Jahrhundert verpflichtet sich die Schweiz auf allen Ebenen – inklusive Forschung, Regierung, Parlament, Kantonen und Städten – auf die von der ETH Zürich entwickelten Vision einer „2000-Watt-Gesellschaft“. Will heißen, bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts soll der Pro-Kopf-Energieverbrauch um zwei Drittel sinken und vor allem durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Piccard will Druck machen. In dem Jahr, in dem die Vereinten Nationen einen neuen Klimaschutzvertrag beschließen wollen, sammelt er Millionen von Unterschrift über seine Webseite futureisclean.org: „Ich will konkrete Maßnahmen für eine saubere Zukunft“, sagt er. Die Unterschriften sind nicht als Protest gedacht, sie sollen die Regierungen auf dem Weg in eine saubere Zukunft unterstützen. André Borschberg sagt kurz nach Abflug über den Pazifik in einem Telefoninterview einen Satz, der so symbolisch für die neue Ära steht wie sein Flugzeug: „Es ist faszinierend quasi für immer fliegen zu können.“

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6 Kommentare

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  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    Warum sollte ein Flugzeug wegen eines Knalls ausserhalb des Hörbereichs des Menschen verboten sein? Fledermausschutz vielleicht? Aber klingen tut er schon gut der Ultraschallknall.

  • Nun ja, zeigt die Solar Impulse nicht vor allem eines: Dass einige viele immer noch glauben, mit Technologie die Welt retten zu können?

     

    Alles was wir dafür brauchen, haben wir doch schon längst. Das gilt es nur zu nutzen bzw. in vielen Fällen eben nicht zu nutzen.

     

    Bei mir ist die Massage des Flugzeuges jedenfalls höchst unverständlich angekommen. Was will er damit sagen? Technologie ist toll? Sehe ich halt einfach nicht so. Mag sein, dass das Ding keine Energie braucht, wenn es in der Luft ist, aber wie waren denn so die Herstellungskosten. Nein, eine tolle Kommunikation wäre gewesen: Seht her, ich hätte ein gigantisches Flugzeug bauen können, aber ich habe verzichtet - der "Um"welt, den Nachfolgenden, der Gegenwart zu Liebe.

     

    In diesem Fall hätte aber vermutlich niemand zugehört.

  • Die „Solar Impulse 2” zeigt vor allem eins. Wir sind z.Z. technisch noch nicht in der Lage, Solarflugzeuge zu bauen, die auch einen Nutzen erbringen können. Das es möglich ist, ein Flugzeug mit Solarenergie anzutreiben, war schon lange bekannt. Erst wenn wir in der Lage sind, Solarflugzeuge zu bauen, die Nutzlasten und Passagiere schneller als ein VW Bus zu transportieren, ist das eine Meldung wert.

     

    PS: Der Vergleich mit dem Wright Flyer hinkt gewaltig. Damals ging es darum zu beweisen, dass Flugzeuge jenseits des Segelfliegers überhaupt möglich sind.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Man kann natürlich alles klein und schlecht reden. Das ändert trotzdem nix an der Tatsache, dass die Solar Impulse 2 ein großartiges Projekt ist.

      • @Christian_72:

        Für mich ist das Geldverschwendung von jemanden, der gern Rekorde aufstellt. Sinnvoller wäre es gewesen, das Geld in ein Kurzstreckenflugzeug zu stecken, dass auch etwas transportieren kann. Oder, wenn es denn langsam sein kann; eine Art Zeppelin mit einer Haut aus Solarzellen für den Antrieb. So ein Gefährt hätte auch einen praktischen Nutzen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Einen Rekord aufstellen zu wollen, ist ja nix schlimmes. Und überhaupt: Hätte, wäre, sollte. Klar, wäre ein Solar-Kurzstreckenflugzeug, das auch transportieren kann, ebenfalls sinnvoll. Ein Rekord wäre es dann aber auch gewesen: "Wir haben das Solarflugzeug mit der größten Nutzlast entwickelt." Die Entwickler haben sich aber nun mal für ´n Langstreckengefährt entschieden. Ich weiß überhaupt nicht, worauf Sie hinaus wollen mit Ihrem Gemeckere.