Keine aufwendigen Traumkulissen wie in den letzten Jahren, keine Champagner-Exzesse, keine Vielzahl Marken: Die seit 2003 stattfindende Bread & Butter ist nur noch ein Schatten ihrer selbst Foto: William Minke

Geschrumpfte Jeans

MODE Ein halbes Jahr nach ihrer Insolvenz findet die Streetwear-Messe Bread & Butter wieder im Flughafen Tempelhof statt. Der Neuanfang ist bescheiden: Mit nur wenigen großen Marken, kostenlosen Ständen für Start-ups und einer Kindermesse als Untermieter ist die Messe nur noch ein Schatten ihrer selbst

von Nina Apin

Der Lack ist ab. Dieser Gedanke drängt sich auf beim Betreten des Flughafens Tempelhof, in dem bis Donnerstag die Street­wear-Messe Bread & Butter (BBB) stattfindet. Es ist Dienstag, der erste Messetag. Hinter den Check-in-Schaltern, die der Akkreditierung dienen, langweilt sich das Personal. Wo sich früher das Publikum drängte, tröpfelt diesmal nur ein dünnes Besucherrinnsal den Ausstellungsflächen in den Hangars entgegen.

Die seit 2003 stattfindende BBB ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Keine aufwendigen Traumkulissen wie in den letzten Jahren, keine Champagner-Exzesse, keine Vielzahl von Hallen voller Markenklamotten. Ein „Food Court“ mit ein paar Imbisswägen draußen, drinnen drei luftig gefüllte Hallen. Das ist alles, was übrig geblieben ist vom Giganten der Streetwear.

Nachdem die Winterausgabe der Messe ausfiel und Ende des Jahres die Insolvenz publik wurde, wollte es Bread-&-Butter-Chef Karl-Heinz Müller noch einmal wissen. Unterstützung und Kapital mobilisieren, die Marken um sich scharen, die noch nicht von der konkurrierenden Panorama-Messe abgeworben wurden. Schließlich läuft der Mietvertrag mit dem Land Berlin noch bis 2019, ein Ausstieg wäre teuer. Finanziell ist Rettung in Sicht: Der Kauf durch den Onlinehändler Zalando steht unmittelbar bevor. Die aktuelle Bread-&-Butter-Ausgabe dürfte allerdings ein Zuschussgeschäft sein.

Die erste Halle füllen Start-ups: junge Labels und Unternehmen, die ganz ohne Standgebühr frische Ideen für die Branche präsentieren dürfen. Zum Beispiel das niederländische Label Tanoli, das mit seinen mehrlagigen Hip­Hop-Klamotten für Männer auf den deutschen Markt will.

Oder die Münchner Onlineplattform Clothe2Gether, die eine verblüffend einfache Lösung für die Krise des stationären Einzelhandels parat hat: einfach die Ladenhüter der Saison ins Netz stellen und an andere autorisierte Markenseller weiterverkaufen. Von denen wiederum kann man dafür ständig neue Ware bestellen. So können selbst kleine Boutiquen ihr Angebot besser auf die Kundschaft abstimmen und ihr Sortiment aktuell halten. Das Verschicken der Ware besorgt die Vermittlungsfirma.

Waffengleichheit für die Kleinen, die unter dem Druck der großen Filialisten und der Onlinehändler ächzen – offenbar eine einleuch­tende Idee: „Der Zuspruch ist riesig“, sagt Geschäftsführer Steffen Pietsch stolz. 4.000 Marken habe man bereits im Sortiment, im Februar soll Clothe2Gether an den Start gehen.

Zahnbürsten mit ökologischem Fußabdruck, Taschen aus pflanzlich gegerbtem Leder, fairer Modeschmuck: Viele der Newcomer-­Ideen kreisen darum, die Modewelt ein bisschen besser zu machen.

In der zweiten Halle herrscht dagegen Business as usual: Jeans, T-Shirts, Turnschuhe, Freizeitlook in allen möglichen Variationen. Von den großen Brands sind nur Mavi, Cinque, Khujo und Londsdale geblieben. „So klein – ist das traurig“, raunt ein Einkäufer seinem Kollegen leise zu. Laut für die Zeitung wiederholen mag er seine Einschätzung aber nicht. Man wolle „den Karl-Heinz nicht kränken“. Hauptsache, er sei überhaupt wieder da.

Modestadt Berlin: Vom 7. bis 10. Juli zeigen bei der Fashion Week rund 3.000 internationale Designer und Marken ihre Kollektionen für Frühling und Sommer. Rund 200.000 Fachbesucher werden erwartet.

Themen-Messen: Daneben gibt es dreizehn Einzelmessen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, darunter Öko-, Edel- und Freizeitmode. Senkrecht­starter ist die 2003 gegründete Premium im ehemaligen Post­güterbahnhof am Gleisdreieck. Sie hat sich inzwischen als Adresse für hochwertige Markenmode etabliert. Allein hier sind 1.400 Kollektionen zu sehen.

Bread & Butter im Spar­modus: Die Bread & Butter, früher die international wichtigste Messe für Alltagsmode und seit 2003 in Berlin, steckt in der Krise. Ende 2014 musste man Insolvenz anmelden. Als neuer Besitzer will der Onlineanbieter Zalando aus der zweimal jährlich im ehemaligen Flughafen Tempelhof stattfindenden Fachmesse ein Publikumsfestival machen. (api)

Optisch entsprechen die beiden mittelalten Herren in Polohemd und Dreiviertelhosen dem Publikumsdurchschnitt: Mit Glamour ist hier nicht viel, statt extrava­gant gestylter Modefreaks ist hier der bundesdeutsche Mittelstand auf der Suche nach neuer Ware für den Massengeschmack.

Ziemlich viel B-Ware ist dieses Jahr dabei: prollig anmutende Klamotten voller Totenschädel, Strasssteine, Motive in Tattoo-Optik. Es sieht ganz so aus, als habe sich der zwar hemdsärmelige, dabei aber stets auch geschmackssichere Karl-Heinz Müller diesmal seine Aussteller nicht so sorgfältig aussuchen können wie sonst.

Der knallrote British Pub, den sich Lonsdale in die Halle gebaut hat, ist jedenfalls ein Hingucker: Holztresen, Teppich, Sportpokale. Der stiernackige Glatzkopf, der Herr über die Winterkollektion ist, sieht zum Fürchten aus.

Das berüchtigte Lonsdale-Logo mit dem Löwen dagegen ist jetzt bunt, fast schon regenbogenfarben. Ein großes „Fußball ohne Rassismus“-Schild an der Tür weist darauf hin, dass sich das traditionell bei Skinheads beliebte Label neue Käuferschichten wünscht.

Auf einmal großer Krach in der Halle, alle bewegen sich zur Bühne. Das brasilianische Label Cavallo de Ferro (Eisenpferd) präsentiert zu ohrenbetäubendem HipHop lässig Geschnittenes mit stilisiertem Schädel für Jugendliche und Männer und Superenges für Frauen. Die jugendlichen BreakdancerInnen verrenken sich mit solcher Inbrunst, dass sich die Umstehenden „süß“ zuhauchen.

Süß geht es auch in der dritten Halle zu, wo zum ersten Mal Kleidung und Design für Kinder und werdende Mütter präsentiert wird. Die „Cookies Show“ allerdings gehört gar nicht zur Bread & Butter, wie ein kurzer Besuch in der Presselounge verrät. Die Kindermesse ist ein eigenständiges Unternehmen. Zuvor in Köln wurden die Organisatoren kurzfristig nach Berlin eingeladen. Auch kein gutes Zeichen. Die rund 80 Aussteller aber freut’s.

„Die Stimmung ist gut“, findet die Standbetreuerin des Himbeermagazins, das zwölf Berliner Marken vertritt: Sweatshirts mit geometrischen Designs, pastellfarbene Puppenhäuser, Mädchenkleider im Retro-70s-Stil. Auch Elen, vierjähriges Model der familieneigenen Marke Chrömli, stapft munter durch die Halle. Auf ihrem weiß-pink-gestreiften Sommer-Overall prangen riesige Schokoflecken. „Alles maschinenwaschbar und extrem strapazierfähig“, strahlt der Papa.

Hinter den Check-­in-Schaltern, die der Akkreditierung dienen, langweilt sich das Personal

Chrömli kommen aus Zürich, der Vater vermarktet, die Tochter ist als Markenbotschafterin unterwegs, die Tante designt. Durch den Gewinn eines Newcomer-Wettbewerbs sei die Standmiete erschwinglich. Und die Location! Ganz entzückend!

Als die Kinder auf die Bühne kommen, um fünf Markenkollektionen vorzuführen, teilt sich das Publikum blitzschnell: in die Mutti-Fraktion, die bei jeder Kinderpose begeistert lächelt. Und die Profis. Etwa der ältere Redakteur und die junge Mitarbeiterin eines Modemagazins, die im hinteren Drittel sitzen und lästern, was das Zeug hält. „Konzeptionslos“ die englischen Mädchenkleider, „ganz schön dark“ die Amis mit ihrer obercoolen Sportswear. Die Präsentation? Na ja, sind halt keine Profi-Modelle.

Aus dem Cheerleader-Team von Alba und per Casting aus der Berliner Bevölkerung kommen die Jungs und Mädels, die, inklusive Zahnlücken und Schorf auf den Knien, über die Bühne laufen. „Schön natürlich“, findet eine Berliner Labelbetreiberin die Show hinterher. Denn in Florenz und London, da seien die Kinder geschminkt.

Florenz und London sind ohnehin weit weg an diesem Dienstagnachmittag in Tempelhof. Draußen, in der Abflughalle, liegen kiloschwere schwarze Coffee-Table-Books zu Hunderten zum Mitnehmen aus. „10 Years of Bread & Butter“, verkündet stolz der Titel. „Na, das nehmen wir als Memorial noch mal mit“, sagt trocken ein Besucher. Und bewegt sich mit der Geschichte der Bread & Butter unterm Arm Richtung Ausgang.