Berliner Szenen: Enstpannungsübung
Yoga mit Bärgida
Montagabend in Moabit. Ich balanciere auf meiner Yogamatte im Dritten Krieger und versuche, meine Augen „leer zu lassen“. Gerade hat die Kursleiterin zu mehr Konzentration gemahnt. Wir sollten lernen, das Geschehen zu ignorieren und nicht aus dem Fenster zu schauen. Nicht gerade einfach: Durch die geöffneten Erdgeschossfenster dringen Straßengeräusche, Hundegebell, Kinderstimmen. Ich atme tief und versuche, nach innen zu sehen.
Plötzlich beginnt es in meinem Blickfeld blau zu flimmern, immer lauter werdende Geräusche dringen herein, es klingt wie Parolen. Eine Demo? Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und recke den Hals. Überall Polizeiwannen, Polizisten in voller Kampfmontur säumen die Straße, dazwischen marschiert eine Menschenmenge mit Fahnen. Sie kommt direkt auf uns zu. Aus den Chören kann ich jetzt die Worte „… soll Deutschland verlassen“ heraushören. Plötzlich wird mir klar, was draußen los ist. Montagabend, das muss Bärgida sein! Mitten in meinem Wohngebiet!
Vor Wut krampft sich mein Zwerchfell zusammen, ich wackle. „Weiteratmen, ignorieren!“, befiehlt die Trainerin streng. Zu spät: In meinem Kopf arbeitet es bereits. Wie konnten die so weit kommen? Warum hält die keiner auf? Sind das viele? Wo sind die Gegendemonstranten?
Ich halte es nicht länger aus und renne ans Fenster. „Wer Deutschland bestiehlt, soll Deutschland verlassen“, brüllt es direkt vor dem Fenster. Adrenalingesteuert springe ich durchs geöffnete Fenster hinaus auf die Straße. Stehe barfuß an der Straßenecke, recke den Mittelfinger und brülle „Nazis, haut ab aus meinem Kiez!“ Die Rechten pöbeln zurück, zusammen mit ein paar Nachbarn, die aus den Häusern gekommen sind, schreien wir den Demonstranten hinterher, bis sie um die Ecke verschwunden sind.
Als ich zurückklettere, machen die anderen Schlussentspannung. Mein Zwerchfell hat sich durch das Schreien entspannt. nina apin
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