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Das wird der Monat, der wird (7)Salamistreckenrekordim Einmalspritzenland

VORSCHAU Blattern wird aus dem Duden gestrichen, Russland ist mit im Topf, und Tiger Woods fängt noch mal von vorne an

Utrecht, 4. Juli. Mit einem Einzelzeitfahren im malerischen Lütreckte – oder wie auch immer der Franzose diese Stadt im Norden aussprechen mag – startet die Tour de France. In diesem Jahr führt sie über 21 Etappen, die sich auf 16 nicht miteinander verbundene Abschnitte verteilen. Von wegen Frankreich„rundfahrt“ oder „-schleife“. Eher Puzzle­radeln oder Salamistreckenrekord!

Vancouver, 5. Juli. Der überraschend zum Finale der Fußball-WM der Frauen eingeflogene Sepp Blatter lässt sich auf der Tribüne mit einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert feiern. „Hier ist der Männersport Fußball am schönsten“, chauviniert er munter beim Bankett. Umflort von süßen Träumen, erlebt er seine letzte Nacht in Freiheit.

Seattle, 6. Juli. Die Inhaftierung des Fußball-Weltkommandanten am Morgen und die umgehende Abschiebung in die USA hat Konsequenzen. Fern des kriminellen Fifa-Milieus wird Blattern als Synonym für Pocken aus allen medizinischen Enzyklopädien gestrichen, „um den ehemals Erkrankten die zusätzliche Seelenverheerung dieses Begriffs zu ersparen“. Germanisten erklären sich solidarisch. Die Duden-Redaktion streicht den Begriff aus allen Lexika mit dem Hinweis: „Endgültig ausgerottet, danke FBI.“ Nur die treue Fifa ernennt ihren Nochführer zum Ehrenkorrumptanten auf Restlebenszeit.

Darmstadt, 9. Juli. Innerhalb von handgestoppten 54,8 Sekunden ist das baufällige Zwergenstadion am Böllenfalltor (17.000 Plätze) von Bundesligarückkehrer SV Darmstadt 98 für die gesamte Saison ausverkauft. „Wir halten immerhin 400 Sitzplatzkarten für Gästefans pro Spiel zurück“, sagt ein stolzer Klubsprecher in lilafarbener Kutte.

Paris, 11. Juli. Uefa-Pate Michel Platini überreicht den Anwälten von Sepp B. die versprochenen Millionen für das falsche Rechtsgutachten, das eine Festnahme in Kanada und die Abschiebung in die USA ausgeschlossen hatte. „Chapeau, meine Herren Win­kel­ad­vo­ka­ten. Kameradschaft ist alles im Fußball.“

St. Andrews, 15. Juli. Der vormalige Golfkönner Tiger Woods, zuletzt bei den US Open fast Letzter geworden, spielt einen Tag vor Beginn der British Open beim ProAm-Turnier mit. Hierbei golfen jeweils drei Amateure (meist aus Sponsorenzirkeln) mit einem Profi, Woods tritt als Amateur an. „Nach meiner 85er-Runde Anfang Juni mit vier Schlägen in den Teich möchte ich das Golfspielen noch einmal ganz von vorn beginnen“, sagt er. Der Exweltstar verfehlt alle Wasserhindernisse, weil es in den schottischen Dünen fast keine gibt.

St. Petersburg, 25. Juli. Der rubelgepamperte Solidarrusse Franz Beckenbauer eröffnet als Fifa-Gasbotschafter die Auslosung der Qualifikationsgruppen für die Fußball-WM 2018. Überraschend ist auch der Gastgeber in den Los­töp­fen („Lex Kreml“). So wolle man einer eventuellen Verlegung der WM Rechnung tragen. Katar lässt derweil mitteilen, man stehe auch für 2018 schon zur Verfügung, es seien trotz aller Unfälle auf den Baustellen noch „hinreichend viele Arbeitskräfte übrig“.

Paris, 26. Juli. Die Tour de ­France geht zu Ende. Der Verbrauch an Einmalspritzen hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht signifikant erhöht. Polizeiliche Razzien gab es nicht mehr täglich. „Der Radsport ist sehr sauber, fast schon chemisch rein“, sagt Verbandschef Pascal Cle­men­tine. Er wird umgehend für den Kabarett-Oscar nominiert.

Stockholm, 30. Juli. Wegen des Trends zur Mutterschaft bei Speerwerferinnen werden bei den Dia­mond League Meetings jetzt Krabbelgruppen eingerichtet. Christina Obergfölls Sohn Marlon, gerade ein Jahr alt, trifft die Kids der tschechischen Olympiasiegerin Barbora Špotáková und die Zwillinge der russischen Exweltrekordlerin Marija Abakumowa. Beaufsichtigt werden die Kleinen von den vier Kindern der mehrfachen Speerchampionesse Trine Hattestad aus Norwegen, die in den 90er Jahren noch während ihrer Schwangerschaften Titel sammelte. Hattestads Sohn Robin, 20: „An den Mikadospeeren sind die Kleinen schon richtig gut.“

Bottrop, 31. Juli. Einen Tag vor der 4. WM im Handtaschenweitwurf („HTWWWM“) in Bottrop-Kirchhellen, einem Wettbewerb „für grenzenlose Wurffreiheit und Völkerverständigung“, tritt Jurymitglied Roberto Blanco zurück. Gründe werden nicht genannt. Ist auch egal. Bernd Müllender

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