Fußball-EM der Obdachlosen: Vom Abseits ins Zentrum
Fußball ganz ohne Wegschauen: Wohnungslose und auch Flüchtlinge zeigten ihr Können beim zweiten European Homeless Cup auf dem Breitscheidplatz.
Die Zuschauer stehen dicht gedrängt an den Netzen, die den grünen Plastikboden begrenzen, der das Spielfeld bildet. Einige tragen Trikots, andere Einkaufstaschen der umliegenden Modehäuser. Die FußballspielerInnen auf dem Feld freuen sich über die vielen Beobachter. Denn normalerweise schauen die Menschen lieber weg.
Acht Mannschaften, darunter ein Flüchtlingsteam, spielen an diesem Freitag auf dem Breitscheidplatz im European Homeless Cup um den Titel „Fußball-Europameister der Wohnungslosen“. Die Bundesvereinigung für soziale Integration, „Anstoß“, hat die Meisterschaft vor zwei Jahren ins Leben gerufen. In Kooperation mit dem Berliner Streetworker-Verein „Gangway“ wurden die diesjährigen Spiele organisiert.
Verlieren muss man lernen
Gemischte Mannschaften spielen nach den Regeln des Straßenfußball. Das Fußballfeld aus grünem Plastik misst zehn mal 15 Meter, innerhalb von 14 Minuten müssen die SportlerInnen ihr spielerisches Können und ihre Fairness unter Beweis stellen, denn nach jedem Spiel bekommen sie vom Gegner Fairplay-Punkte. Alle Runden vor dem Halbfinale werden ohne SchiedsrichterInnen ausgetragen. Die Spieler klären Probleme selbst, nur bei großen kommt ein Mediator hinzu.Auf dem Platz steht jetzt die Berliner Mannschaft „Ocker-Beige“, die Deutschland bei der Europameisterschaft vertritt. Sie spielen um Platz fünf, ehrgeizig, als würde es um den Titel gehen, den später Litauen holen wird. In der kurzen Spielzeit geben sie alles und unterliegen am Ende den Ungarn mit sechs zu sieben Punkten.
Doch die Enttäuschung ist schnell wieder verflogen. „Gewinnen kann jeder, aber verlieren muss gelernt sein. Und hier können wir zeigen, dass wir mehr können als verlieren“, sagt Ralf, der seit drei Monaten in der Mannschaft spielt. Der 56-Jährige ist seit vier Monaten obdachlos. „Viele glauben mir das nicht, wenn ich es erzähle“, sagt er. Das liege am Klischee-Bild des Obdachlosen als bärtiger, dreckiger Mann, das viele Leuten hätten, wie Streetworker Manuel Eigmann von Gangway erklärt. Es sei wichtig, das Thema in den Fokus zu rücken, damit die Gesellschaft sehe, dass Menschen ohne Wohnung genauso Fähigkeiten hätten wie andere.
Schluss mit der Isolation
„Die Stadt ist verpflichtet, jedem einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen. Das macht sie aber nicht“, erklärt Eigmann. Wohnungslosigkeit sei ein von der Politik künstlich geschaffenes Problem, weil es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gäbe.
Daran ändere eine Veranstaltung allein nichts, sagt Stephan von Dassel (Grüne), Sozialstadtrat in Mitte, der ab dem Halbfinale Schiedsrichter ist. Trotzdem sei der Wert für die Spieler groß: „Jedes Event, das bei den Obdachlosen Selbstvertrauen schafft, ist genauso wichtig wie ein Platz in der Kältestube“, so von Dassel.
Wichtig sei auch, dass die Spieler durch wöchentliche Trainings in der Turnhalle Hannoversche Straße aus der Isolation geholt würden, ergänzt Eigmann. Denn das sei ein erster Schritt zurück in ein selbstbestimmtes Leben.
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