Überwältigt vom Ticken der Zeit

AUTOR James Salter, der über die Intensität des Lebens schrieb, ist tot

James Salter Foto: C. Horsten/dpa

Ein Bahnhof. Ein Ich-Erzähler. Eine Bahnhofsuhr mit schwarzen Zeigern, die vorwärtsticken. Dann eine dieser überfallartigen Sätze, die einem bei James Salter immer wieder begegnen: „Plötzlich bin ich überwältigt von der Einfachheit des Ganzen.“ Der Erzähler wird den Zug nehmen. Die Zeit wird weiterlaufen. Ganz einfach. Und gleichzeitig ist da etwas von Überwältigung. Die Intensität des Lebens offenbart sich in einer Alltagssituation.

James Salter, der Autor von sechs Romanen, Erzählungen und der Autobiografie „Verbrannte Tage“, wurde in Deutschland nachträglich entdeckt. Erst seit den späten Neunzigern erscheinen die Bücher auf Deutsch, die er teilweise Jahrzehnte zuvor geschrieben hat („Lichtjahre“, „Ein Spiel und ein Zeitvertreib“, aus dem das Zitat stammt, zuletzt sein allererster, 1957 geschriebener Roman „Die Jäger“). Die Härte und die stilistische Eleganz seiner Bücher ließen sich so aus einem Abstand heraus genießen, er hatte gleichsam von vornherein den Status eines modernen Klassikers.

James Salter wurde 1925 als James Horowitz in New York geboren. Seinen Geburtsnamen ließ er hinter sich, genauso wie den jüdischen Hintergrund seiner Herkunft. Bei der US-Luftwaffe diente er als Kampfpilot, was in seinem literarischen Werk viele Spuren hinterlassen hat, nicht nur, weil er über Piloten schrieb, sondern auch, weil er das Leben als Kampf schilderte. Und auch, weil das Schreiben für ihn immer etwas Heroisches hatte.

Nun sind die Zeiger weitergetickt, genauso gleichmütig wie traurig machend. Am 19. Juni ist James Salter, trotz seines hohen Alters von 90 Jahren, plötzlich, wie in einem Überfall, bei einer Physiotherapie-Sitzung gestorben. drk