Kolumne The Final Countdown: Heute sind die Griechen pleite
Alexis Tsipras ist verdächtig ruhig und die Troika lässt nichts von sich hören. Sicher ist nur, dass das Krisendrama noch lange anhalten wird.
W ochenlang haben wir diesem 5. Juni entgegengefiebert. Die besten Experten aller Institutionen haben uns gewarnt, dass Griechenland an diesem Tag endgültig das Geld ausgehen würde.
Die fälligen 300 Millionen Euro für den Internationalen Währungsfonds könne Athen nie und nimmer zurückzahlen, wenigstens werde Premier Alexis Tsipras auf den Knien zum IWF-Sitz nach Washington rutschen und um einen Zahlungsaufschub betteln müssen.
Und wie sieht es nun aus? „Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte ein tiefentspannter Tsipras nach einem Abendessen mit Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel. Griechenland werde auch weiterhin seine Schulden bedienen. Sonst noch irgendwelche Fragen?
Ja, durchaus. Hatte Ihre Partei Syriza nicht immer wieder gedroht, die Zahlungen einzustellen, wenn die Eurogruppe nicht mit einem vernünftigen Angebot rüberkommt? War das alles nur Show, oder haben Sie Ihre Genossen ruhig gestellt? Und woher wollen Sie das Geld für die nächsten IWF-Raten nehmen? Lässt Madame Lagarde neuerdings anschreiben?
Griechenland bekommt mehr Zeit zur Begleichung seiner Milliardenschulden an den Internationalen Währungsfonds: Der IWF gewährte der Regierung in Athen Aufschub für eine eigentlich am Freitag fällige Kredittranche in Höhe von 300 Millionen Euro. Das Geld müsse erst am Monatsende zusammen mit den anderen im Juni noch fälligen Tranchen im Volumen von insgesamt 1,6 Milliarden Euro gezahlt werden, erklärte ein IWF-Sprecher am Donnerstag. (afp)
Wir hätten aber auch Fragen an die Gläubiger: Wer vertritt euch eigentlich – die eiserne Kanzlerin Merkel oder der nette Herr Juncker? Waren da nicht auch mal ein Eurogruppenchef und eine Troika? Und was steht eigentlich in dem angeblich letzten Angebot, das in dieser Woche im Berliner Kanzleramt ausgekungelt wurde?
Die Informationen, die dazu in Brüssel durchsickern, sind mehr als spärlich. Demnach fordern die Gläubiger nun Einschnitte bei den Mindestrenten und eine massive Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Strom. Im Gegenzug sollen sie Tsipras beim Sparkurs etwas entgegengekommen sein. Auch das weitere Procedere bei der Lösung des Problems ist alles andere als transparent.
Nur eins lässt sich mit Sicherheit sagen: Das griechische Schuldendrama wird uns noch lange beschäftigen. Denn erst am 28. April 2054 ist die letzte Rückzahlung an den Eurorettungsfonds geplant. Bis dahin dürfte es noch viele Krisensitzungen und Ultimaten geben. Nur mit unserem Countdown ist jetzt Schluss. Endgültig. Kali nichta!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Zeitplan der US-Wahlen
Wer gewinnt denn nun? Und wann weiß man das?