Überwachung: Bier gegen Chips

Der Arte-Themenabend "Wir werden alle überwacht!" sieht implantierte Datenträger als Gefahr.

Großer Bruder, du bist immer da. Bild: arte

Wer in kleinen Kreisen anspricht, dass die im ganzen Land verteilten Mautstellen ein prima Überwachungssystem abgeben, darf mit mitleidigen Blicken rechnen. Schnell steht man als paranoider Kauz da, der sich immer noch nicht von "Akte X" erholt hat. Zumindest in den Innenstädten kann man privaten und öffentlichen Überwachungskameras kaum noch entgehen. Vom Internet gar nicht zu reden: Google-Chef Eric Schmidt brüstet sich offen damit, schon bald so viele Informationen über jeden einzelnen Nutzer beisammenzuhaben, dass er jede noch so persönliche Frage beantworten kann. Über diesen Artikel weiß er womöglich auch Bescheid, denn besagte Aussage wurde natürlich ergoogelt.

Wenn schon lächerlich machen, dann richtig, sagen sich französische Spaßguerilleros, die bunt kostümiert eine Art Agitprop-Theater veranstalten und dabei allerlei Ulk treiben mit den allgegenwärtigen elektronischen Kontrollmedien. Die clownesken Rebellen sind nicht die Einzigen, die angesichts immer ausgefeilterer Observationstechniken ihr Unbehagen artikulieren. So berichtet es die Arte-Dokumentation "widerstand.com" (21.35 Uhr), die parteiisch, aber nicht unsachlich über Aktions- und Organisationsformen unterrichtet.

Der Film des in Frankreich lebenden Briten David Carr-Brown, der sich als kritischer TV-Journalist einen Namen gemacht hat, ist Teil des Arte-Themenabends "Wir werden alle überwacht!". Eine süffige Einführung gibt die knapp einstündige Dokumentation "Kontrolle total" (20.40 Uhr) von Etienne Labroue. In kurzen Kapiteln mit Überschriften wie "Null Privatsphäre", "Neue Ängste" und "Banalisierung" führt Labroue die Zuschauer souverän durch ein Themendickicht, das immerhin so komplexe Aspekte wie den Stand der Technik, wirtschaftliche Interessen, affirmative und oppositionelle Standpunkte zu dieser verunsichernden Sicherheitstechnik umfasst, deren Befürworter nicht einmal davor zurückschrecken, Menschen Chips einzupflanzen, mit denen man etwa in der Kneipe bezahlen kann. Ist ja praktisch. Aber, wie der Film zeigt, medizinisch nicht so unbedenklich, wie die Propagandisten behaupten.

Was die Videoüberwachung anbelangt, ist London bereits weit vorn - "Big Brother City" (22.05 Uhr) nannte David Carr-Brown seinen zweiten Film, sieht er doch die düsteren Zukunftsvisionen aus George Orwells "1984" längst übertroffen. Sicherheit durch Prävention ist das Verkaufsargument, das jede Skepsis zu ersticken scheint. So lassen sich die Briten nicht nur von behördlichen, sondern auch von privaten Kameras ausspähen. Im Stadtteil Shoreditch kann man sich die Bilder gegen Gebühr auf den Fernseher rufen - allerdings kann man bisher die Gesichter der Erfassten kaum erkennen. Der Anbieter hat Besserung versprochen.

Die Zusammenstellung des gelungenen Themenabends erweist sich als runde Sache. Die Beiträge ergänzen einander, sind bei allem Ernst eingängig gemacht und von jugendlicher Frische. Nur eines missfiel an den vorliegenden Fassungen: Mit gelben Untertiteln auf weißem Grund tut man dem Publikum keinen Gefallen.

Der arte-Themenabend läuft Dienstag ab 20.40 Uhr.

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