Darfur-Konferenz: Der sudanesische Knoten

Am Montag trifft sich die Diplomatie in Paris zur Darfur-Konferenz. Lässt sich das Chaos so ordnen, dass es der Regierung des Sudan endlich ins Mark fährt?

Flüchtlinge aus Darfur stehen in einem Camp in Tschad um Wasser an Bild: ap

Condoleezza Rice kommt und Ban Ki Moon - das sieht gut aus. Russland und China schicken auch Vertreter. Doch Sudans Regierung und die Afrikanische Union bleiben weg - entschieden werden kann also nicht sehr viel am Montag in Paris. Frankreichs Regierung, Gastgeberin der Internationalen Darfur-Konferenz, präsentiert das Treffen dennoch als wichtigen Schritt nach vorn in den internationalen Bemühungen zur Befriedung des virulentesten Kriegsgebiets in Afrika - nach vier Jahren Krieg, der rund 2,5 Millionen der 6 Millionen Einwohner in die Flucht getrieben und mehrere hunderttausend Menschen getötet hat. Möglicherweise kommt damit zu den vielen unkoordinierten diplomatischen Aktivitäten rund um das Konfliktgebiet nur noch eine weitere hinzu: eine Übersicht über das Chaos, das die Friedensstifter bisher angerichtet haben.

Darfur-Friedensabkommen: Am 5. Mai 2006 unterzeichnete Sudans Regierung mit Darfurs damals wichtigstem Rebellenführer Minni Minawi einen Friedensvertrag, nach monatelangen Verhandlungen unter Ägide der Afrikanischen Union (AU) in Nigeria und unter Druck des US- Sonderbeauftragten Robert Zoellick - inzwischen ist er Weltbankchef. Das Abkommen integrierte Minawi in Sudans Regierung und stellte Darfur eine Art Autonomie in Aussicht. Sudans Regierung versprach, ihre für Massenvertreibungen in Darfur verantwortlichen Milizen zu demobilisieren, und die Rebellen sollten die Waffen abgeben. Weil das Abkommen keine internationalen Garantien vorsah, stieß es sofort auf massive Ablehnung in Darfur: Seit 23. April diesen Jahres gibt es zwar eine "Darfur-Behörde", mit Minni Minawi an der Spitze. Nur: Die größte Darfur-Rebellenbewegung SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) hat Minawi inzwischen die Gefolgschaft aufgekündigt. Sie kämpft nun auch gegen ihn, zusammen mit der anderen großen Darfur-Rebellenbewegung JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) und allen anderen Rebellengruppen Darfurs. Aber noch immer gilt das DPA (Darfur Peace Agreement) international als Grundstein einer Lösung des Darfur-Konflikts.

Darfur-Darfur-Dialog und neue Friedensgespräche. Weil kaum jemand in Darfur das DPA akzeptiert, setzen internationale Vermittler als nächsten Schritt auf einen Dialog zwischen Darfurs politischen Kräften und danach auf neue Verhandlungen mit Sudans Regierung. Realisiert wurde dieser Dialog nie, weil die Vorstufen dazu - Gespräche zwischen den zerstrittenen Flügeln der SLA-Rebellen zum Beispiel - regelmäßig durch sudanesische Luftangriffe auf Versammlungsorte sabotiert werden.

"Hybride Mission" von UNO und AU. Am 31. August 2006 beschloss der UN-Sicherheitsrat zur Umsetzung des DPA die Erweiterung der bestehenden UN- Mission im Südsudan (Unmis) auf Darfur und ihre Verdoppelung von 10.000 auf über 20.000 Mann. Sudans Regierung lehnte das scharf ab, woraufhin die UNO sich überlegte, die Unmis-Erweiterung in die bestehende Darfur- Friedenstruppe der AU (Amis) einzugliedern. Die Zustimmung des Sudans zu dieser so genannten "hybriden" Mission, mit einer Doppelspitze aus AU und UNO, ist in den letzten Monaten das Hauptziel der internationalen Darfur-Diplomatie gewesen. In bewährter Manier sagt Sudans Regierung mal Ja, mal Nein, und hält sich alle Optionen offen.

UN-Blauhelme im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Unterdessen gehen die Vertreibungen in Darfur weiter. Immer mehr Flüchtlinge landen in den westlichen Nachbarländer des Sudan - derzeit rund 220.000 im Tschad und mehrere zehntausend in der Zentralafrikanischen Republik. Mit ihnen kommen auch von Sudans Regierung unterstützte Milizen. Sie tragen den Flüchtlingen die ethnischen Kriege Darfurs hinterher. Anfang dieses Jahres begann die UNO daher, über die Entsendung von 11.000 Blauhelmen an die Ostgrenzen von Tschad und der Zentralafrikanischen Republik nachzudenken. Die Regierung in NDjamena kann sich das nicht leisten, denn Tschads Präsident Idriss Déby gehört zur Ethnie der Zaghawa, aus der sich die JEM-Rebellen in Darfur überwiegend rekrutieren. Wenn er die Zaghawa-Kämpfer von ihren Verbündeten in Tschads Militärführung abschneidet, droht ihm der Sturz.

Französische oder europäische Eingreiftruppen im Tschad. Schon mehrfach haben von Sudan unterstützte Rebellen im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik Offensiven gestartet. Französische Truppen haben sie immer mehr oder weniger diskret zurückgeschlagen - im Tschad stehen ständig rund 1.000 französische Soldaten, in der Zentralafrikanischen Republik rund 300. Nun überlegt der neue französische Außenminister Bernard Kouchner, das Militär auch zum Schutz von Flüchtlingen einzusetzen. Seit letzter Woche versorgen Frankreichs Truppen tschadische Binnenvertriebene im Osten des Landes über eine Luftbrücke. Die Operation könnte auch auf die Darfur-Flüchtlinge ausgeweitet werden, die sowieso in denselben Lagern leben. Darfurs Rebellen versorgen sich aus diesen Lagern. Der Führer des radikalen Flügels der SLA-Rebellen, Abdel Wahid, lebt in Paris und gilt als guter Freund Kouchners.

Friedensstifter Libyen? Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hat schon in den 80er-Jahren in den Machtkämpfen Tschads und Sudans mitgemischt; über Libyen soll auch Nachschub für Teile der Darfur-Rebellen kommen. Am 8. Februar 2006 handelte er zwischen Tschads und Sudans Regierung ein Abkommen aus, wonach Sudan aufhört, tschadische Rebellen zu unterstützen, und Tschad seine Förderung der Darfur-Rebellen einstellt. Libysche und eritreische Eingreiftruppen sollten das an der Grenze überwachen. Umgesetzt wurde das Abkommen nicht. Danach aber begann Gaddafi, auch zwischen Regierung und Rebellen im Tschad zu vermitteln. Während in Paris die Darfur-Konferenz tagt, läuft eine neue Runde dieser Art in Tripoli.

Rivale Saudi-Arabien. Am 3. Mai überraschte der saudische König Abdallah mit einem eigenen Friedensabkommen zwischen Sudan und Tschad, das mit dem von Gaddafi ausgehandelten identisch war. Es sah sogar als Hauptziel dessen Umsetzung vor, was Gaddafi sehr ärgerte, weil es ihn unfähig aussehen ließ. Saudi-Arabien lehnt zusammen mit Ägypten, dessen Establishment Sudan noch immer als eine Art abtrünnige Provinz betrachtet, eine verstärkte westliche Rolle in Darfur strikt ab.

Friedensstifter Eritrea. Während die Araber sich streiten, schafft das kleinste Land der Region Fakten. Eritrea ist Rückzugsbasis für die meisten Rebellen Darfurs, aber auch des Osten Sudans, wo 2005-2006 eine bewaffnete Rebellion den Sudan an den Rand eines weiteren Bürgerkrieges brachte. Eritrea hat erfolgreich Frieden für Ostsudan gestiftet und bietet jetzt ähnliche Dienste für Darfur an.

Großmacht China. Für Sudan ist vor allem China maßgeblich. Das Land kauft zwei Drittel des sudanesischen Öls, investiert massiv im Sudan, hält Ölkonzessionen in Darfur und rüstet die Armee auf. Aber eine allzu offene Unterstützung des sudanesischen Vernichtungskrieges in Darfur würde einen internationalen Boykott der Pekinger Olympiade 2008 provozieren. So bietet sich China jetzt als UN-Truppensteller für Darfur an und als das einzige Land, auf dessen Wort Sudans Regierung hört. Nur weiß keiner so recht, was die Chinesen den Sudanesen eigentlich sagen.

Unentschlossene USA. Der stärkste Druck für ein internationales Eingreifen in Darfur kommt aus den USA. Der Kongress hat den Krieg in Darfur als Genozid bezeichnet, eine starke "Save Darfur"-Kampagne fordert Militärschläge. Präsident George Bush hat Sanktionen gegen Angehörige der sudanesischen Machtelite verhängt und sogar zugelassen, dass der UN-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof zu Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen ermächtigt. Aber zugleich ist Sudans Geheimdienst ein wichtiger Verbündeter des CIA im "Krieg gegen den Terror" am Horn von Afrika. Also hat Khartum aus Washington nichts zu fürchten.

Überraschung aus Slowenien. Anfang 2006 bot sich Slowenien als Vermittler für einen EU-geführten Friedensprozess an, gestärkt durch alte sudanesisch-jugoslawische Kontakte. Die EU-Großmächte taten das als lächerlich ab, zu den anvisierten Gesprächen kam niemand, und Sloweniens Sudan-Gesandter Tomo Kriznar wurde in Darfur verhaftet. Erst im September 2006 kam er frei, begnadigt von Sudans Präsident Hassan el-Beshir. Die EU hatte für ihn keinen Finger krumm gemacht. Seitdem weiß Sudan: Auch aus Europa hat es nichts zu fürchten.

Nachdenkliches Deutschland. Die Bundesregierung lässt trotz EU-Ratspräsidentschaft in Sachen Darfur wenig von sich hören. Stattdessen tut sich der pensionierte baden-württembergische CDU-Politiker Rudolf Decker hervor, der schon in den 90er-Jahren gerne im Rahmen seiner christlichen "Vereinigung zur Förderung der Völkerverständigung" verfeindete afrikanische Präsidenten zusammenbrachte. Ugandas Präsident Museveni kam vorletzte Woche zum Jahrestreffen der Vereinigung nach Berlin, ebenso eine sudanesische Delegation, darunter hochrangige Präsidentenberater sowie der Rebellenführer Ahmed Dereige. Danach berichteten ugandische Medien, Deutschland habe Uganda gebeten, in Darfur zu vermitteln.

Und wer fragt die Sudanesen? Bislang niemand. Die Rebellen verlangen eine neue Friedenskonferenz, um das Darfur-Friedensabkommen DPA mit einem neuen zu ersetzen, unter Schirmherrschaft von UN und AU. Sie wollen eine international überwachte Flugverbotszone über Darfur und internationale Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung. Die Opposition im Sudan verlangt ein internationales Engagement, damit die für 2009 geplanten Wahlen in ganzen Land und das für 2011 geplante Unabhängigkeitsreferendum im Süden friedlich ablaufen. In diesen Zeitrahmen sollte auch eine Darfur-Lösung eingefügt werden.

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