Afghanistan: SPD will sich vom US-Krieg abseilen

Immer mehr Sozialdemokraten fordern, die deutsche Beteiligung am "Enduring Freedom"-Einsatz in Afghanistan zu beenden. Außenminister Steinmeier legt sich nicht fest.

Im Fokus der Diskussion: die Bundeswehr in Afghanistan. Bild: dpa

BERLIN taz Eine ruhige Sommerpause wird es für die große Koalition nicht geben. Neben dem Dauerstreit um den Mindestlohn drohen jetzt erstmals auch in der Außenpolitik gravierende Meinungsverschiedenheiten. Die Union macht sich Sorgen, weil immer mehr SPD-Politiker verlangen, die deutsche Beteiligung an der Antiterroroperation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan zu beenden. "Ich kann nur hoffen, dass sich die vernünftigen Argumente durchsetzen", erklärte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), mit Blick auf die Bundestagsabstimmung im Oktober, bei der über die Verlängerung der Bundeswehreinsätze entschieden werden muss.

"Die Forderung nach einem Ausstieg aus Enduring Freedom beruht auf einer Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan", sagte von Klaeden der taz. "Die Lage ist bei weitem nicht so sicher, dass man auf ein Mandat zur Terrorbekämpfung verzichten kann." Angesichts der zunehmenden Zahl von zivilen Opfern in Afghanistan und der laut Umfragen abnehmenden Zustimmung in der deutschen Bevölkerung wächst in der SPD-Fraktion jedoch der Wunsch, sich von den US-geführten Militäraktionen deutlicher abzugrenzen. Viele Abgeordnete wollen nur noch das Mandat für die deutsche Beteiligung an der internationalen Stabilisierungstruppe Isaf verlängern, aber keine Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) mehr für Enduring-Freedom-Einsätze zur Verfügung stellen.

Folgt man den offiziellen Regierungsangaben, hätte diese Entscheidung in der Praxis zunächst kaum Bedeutung, da die 100 KSK-Soldaten laut Verteidigungsministerium schon seit 2005 nicht mehr von OEF angefordert wurden. Aber Genaues über Aufenthaltsort und Tätigkeit der Spezialkräfte erfährt man wegen der Geheimhaltungspolitik in Sachen KSK nicht. Und in Zukunft könnte es ja wieder Anforderungen der USA geben. Nicht nur Juso-Chef Björn Böhning findet deshalb: "Es wird Zeit, die KSK-Kräfte aus Afghanistan abzuziehen."

In der SPD-Fraktion zeichne sich dafür eine Mehrheit ab, sagte ihr Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels. Eine Einschätzung, die auch andere Kollegen als "durchaus realistisch" bezeichnen und die von der CDU ernst genommen wird, weil Bartels nicht zum linken Flügel zählt. Vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gerät so in eine schwierige Position. Er muss auf die Stimmung in der eigenen Partei Rücksicht nehmen. Andererseits kann sich Steinmeier den Forderungen nach einem Ausstieg aus OEF nicht anschließen, ohne einen offenen Konflikt mit Kanzlerin Angela Merkel zu riskieren. Entsprechend vage äußert er sich: Man werde "im Verlaufe der Sommermonate" beraten und "am Ende" entscheiden.

So lässt er die Debatte laufen. Der CDU-Politiker von Klaeden nannte die von der SPD formulierte Trennung von Friedenstruppe Isaf und Enduring Freedom "künstlich". Sie stimme mit der Realität in Afghanistan nicht überein, wo beide längst zusammenarbeiten. Wegen der Sicherheitslage sei dies auch nötig: "Der Erfolg von Isaf ist ohne OEF nicht denkbar", so von Klaeden. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen dagegen sagte der taz: "Es lässt sich nicht leugnen, dass unabgestimmte OEF-Operationen den Erfolg von Isaf gefährden."

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