Bosnien und Herzegowina: Hoffnung für Srebrenica-Opfer

Der Hohe Repräsentant der UN in Bosnien und Herzegowina Miroslav Lajcak entlässt 35 bosnisch-serbische Polizisten, die am Srebrenica-Massaker beteiligt waren.

Strebt Reformen an: Miroslav Lajcak (rechts). Hier mit Carla Del Ponte bei der Gedenkfeier zum Jahrestag des Sebrenica-Massakers : dpa

SREBRENICA taz Mit dem neuen Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, dem Slowaken Miroslav Lajcak, scheint so etwas wie frischer Wind ins Land zu kommen. Angesichts seines festen Willens, Ernst damit zu machen, die Blockaden für die wichtige Polizeireform und die neue Verfassung zu beseitigen, ist wieder etwas Hoffnung bei all jenen aufgetaucht, die an einem multinationalen Staat Bosnien und Herzegowina festhalten wollen.

Ein positives Zeichen in dieser Richtung ist, dass sich der Premierminister der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, offenbar aus den Verhandlungen über diese beiden Reformvorhaben zurückziehen will, die auf eine Stärkung des Gesamtstaates zielen und die Macht der serbischen Teilrepublik beschneiden. Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst war Dodik als Bremser der Reformen aufgetreten. Diplomatischen Quellen zufolge soll die internationale Gemeinschaft starken Druck auf Dodik ausgeübt haben.

Auch in der Frage der Kriegsverbrecher gibt es neue Akzente. Als 465 Opfer im Beisein von diplomatischer Prominenz am letzten Mittwoch, dem 12. Jahrestag des Massakers in Srebrenica, bestattet waren, machte sich im Gegensatz zu den Jahren zuvor sogar so etwas wie Optimismus unter den mehr als 30.000 Trauernden breit. Jetzt können die Opferverbände hoffen, dass mehr beteiligte Täter als bisher zur Rechenschaft gezogen werden. Lajcak hatte am Dienstag erklärt, 93 Personen, die verdächtigt werden, dem Netzwerk der mutmaßlichen serbischen Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadþic und Ratko Mladic anzugehören, und die direkt am Massaker beteiligt waren, seien die Pässe abgenommen worden. 35 Polizeioffiziere der serbischen Teilrepublik wurden vom Dienst suspendiert. Jetzt soll die Staatsanwaltschaft des Staatsgerichtshofes in Sarajevo die Fälle einzeln untersuchen.

Alle betroffenen Personen stehen auf der in der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina 2004 veröffentlichten Liste von mehr als 17.000 Personen, die mittelbar an dem Verbrechen beteiligt waren. 810 der Verdächtigen sollen unmittelbar in die Ereignisse verwickelt sein.

Mit Vize-Polizeiminister Dragomir Andan ist der prominenteste Polizist der "Republika Srpska" suspendiert worden. Andan war während des Massakers in Srebrenica anwesend, er gehörte zur engsten Umgebung des noch in Serbien untergetauchten serbisch-bosnischen Generals Ratko Mladic. Diese Tatsache ist lange bekannt, doch von Seiten der internationalen Gemeinschaft geschah jahrelang nichts, um Andan abzusetzen.

Als zum 10. Jahrestag des Massakers ausgerechnet Andan ungeniert als Sicherheitschef auf der Gedenkveranstaltung fungierte, protestierten lediglich die deutsche grüne Abgeordnete Marieluise Beck und eine Delegation der grünen Europaabgeordneten unter Daniel Cohn-Bendit.

Andan ist eine wichtige Person im Netz der Unterstützer der noch flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrecher. Doch Proteste wegen seiner Suspendierung gab es nicht. Niemand wolle offenbar "in einem Boot mit Andan sitzen", hieß es aus diplomatischen Quellen.

Umso stärker aber protestierten serbisch-bosnische Politiker gegen die letzte Entscheidung des am 30. Juni zurückgetretenen Hohen Repräsentanten Christian Schwarz-Schilling. Der hatte die Gedenkstätte Potocari unter die Aufsicht des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina gestellt und damit der Kontrolle durch die serbische Teilrepublik entzogen. Dieser Vorgang ist hoch politisch. Die muslimisch-bosniakischen Rückkehrer nach Srebrenica streben nach einem unabhängigen Status der Gemeinde. Sie wollen nicht mehr von der serbisch-bosnischen Bürokratie "gegängelt und diskriminiert werden", wie ihr Sprecher Camil Durakovic sagt, "von jenen, die den Genozid an der Bevölkerung von Srebrenica zu verantworten haben". Deshalb drohten die Rückkehrer mit dem Auszug aus Srebrenica und errichteten im Mai eine Zeltstadt in Sarajevo. Seit voriger Woche sind alle nach Srebrenica zurückgekehrt.

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