Interview: "Sanfter Zwang ist der Trend"

In Düsseldorf will Edgar Schulz prügelnde Männer nach kanadischem Vorbild lehren, verantwortungsvolle Väter zu sein.

Lernziel: Liebevoller Vater Bild: dpa

taz: Herr Schulz, Sie wollen demnächst in Düsseldorf ein Pilotprojekt starten, dass aus prügelnden Männern einfühlsame Väter machen soll. Gibt es nicht längst genug Hilfsangebote - die nur häufiger genutzt werden müssten?

Edgar Schulz: In der Tat gibt es auch jetzt schon Kurse für Männer, die häusliche Gewalt ausgeübt haben. Dort aber ist die Vaterrolle nur ein Punkt unter vielen. Bei uns steht das Vatersein im Fokus - 17 mehrstündige Sitzungen lang.

Lässt sich etwas so Komplexes wie die Vaterrolle überhaupt in einem Kurs trainieren?

Ein solcher Kurs ist immerhin ein Anfang. Zunächst sollen die Männer ihr Verhältnis zum eigenen Vater und Großvater analysieren. In einem zweiten Block widmen sie sich dann dem Blick auf die Kinder. Oft wissen die Männer nicht mal, welche Augenfarbe ihr Kind hat. Und sie verstehen nicht, dass Kinder anders ticken als Erwachsene. Häufig hilft es, wenn wir den Männern sagen: Was willst du, dass dein Sohn in zwanzig Jahren von dir denkt? Die Männer müssen begreifen, dass das Kind, dass sie jetzt nervt, sie ein Leben lang begleiten wird. Oft glauben sie auch, ein gutes Verhältnis zu den Kindern zu haben. Sie meinen: Dass ich die Mutter schlage, hat doch mit dem Kind nichts zu tun. Erst im Kurs wird ihnen dann klar, dass ihr Kind viel weint und ihnen ausweicht. Im dritten Block lernen sie dann Verhaltensregeln.

Gibt es Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?

Wir übernehmen das Programm aus Kanada. Beim Thema häusliche Gewalt sind Theorie und Praxis im angelsächsische Raum, insbesondere in den USA, Großbritannien und Kanada viel weiter als wir. Dort haben die Diskussionen, die wir jetzt führen, schon in den Neunzigern stattgefunden. In Kanada hat dieses Projekt 2005 begonnen.

Ist es da nicht noch zu früh, um einzuschätzen, ob sich das Programm bewährt hat?

Ja. Aber die kurzfristigen Daten, die wir haben, stimmen optimistisch. Zwar blieben nur 60 Prozent der Teilnehmer bis zum Ende dabei. Diese aber zeigen ein messbar verändertes Verhalten. Das berichten die Mütter und Ehefrauen in Kanada, zu denen die Forscher, soweit möglich, Kontakt hielten.

Ist es nicht zu eng, den Fokus alleine auf Väter zu richten? Schließlich wurden in der letzten Zeit viele Fälle gewalttätiger Mütter bekannt.

Natürlich gibt es auch Frauen, die ihre Kinder verprügeln. Es ist gut, dass diese alte Vorstellung - eine Mutter ist per se liebevoll - einem realistischeren Bild weicht. Aber wir können nicht die ganze Welt auf einmal retten.

Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Männer freiwillig in Ihren Kurs kommen?

Alle Erfahrung zeigt, dass Männer viel seltener als Frauen Therapieangebote aufsuchen. Wir setzen daher auf sanften Druck, etwa durch Jugendämter und Familiengerichte. Ein Richter könnte zum Beispiel einem Vater sagen: Besuche zunächst diesen Kurs. Dann wird entschieden, ob du ein Umgangsrecht für deine Kinder erhältst. Sanfter Zwang ist der Trend der Zeit. Die vielen Fälle misshandelter Kinder haben das Bewusstsein verändert. Die Tendenz geht dahin, dass der Staat sich mehr einmischt und Eltern mehr Auflagen erhalten. Davon zeugen auch die Pläne, die diese Woche im Kabinett diskutiert wurden.

Besteht bei von oben verordneten Maßnahmen nicht die Gefahr, dass die Männer sie nur absitzen - in Wahrheit ihr Verhalten aber gar nicht ändern wollen?

Es wird immer Männer geben, die nachdenklich werden. Eine Zauberformel aber, die alle Gewalttäter bekehrt, gibt es nicht. Andererseits sind prügelnde Männer nicht alle Monster. Wir können sie nicht nur von den Kindern fernhalten, wir müssen ihnen auch einen Weg weisen. Wenn wenigstens drei von zehn ihr Verhalten ändern - dann haben wir viel für den Kinderschutz getan.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT

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