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CDUPostpubertäre Politik

Markus Söder & Co, wollen das konservative Profil schärfen? Schön für sie - besorgniserregend für die Union: Wo sind dort mal interessante Gedanken?

Deutsche Welt, ganz nach Söders Geschmack: Vati, Mutti und zwei Kinder, vereint in trauter Harmoni Bild: ap

Neulich im Café Einstein, dem gastronomischen Catwalk der hauptstädtischen Wichtig-Wichtig-Szene aus Politikern, Journalisten und ihren Stäben: Markus Söder, Stefan Mappus, Hendrik Wüst und Philipp Mißfelder gaben ein Meeting, das nicht im Mindesten geheim abgehalten wurde. Im Gegenteil sollte es bewirken, dass alle Welt, die politische zuerst und mediale gleich danach, erfahre: Die Herren machen sich um das konservative Profil Sorgen.

Was der CSU-Generalsekretär, der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag und der Vorsitzende der Jungen Union dort verhandelten, ist für die Welt außerhalb der politisch-gastronomischen Gehege nicht von Belang: Dem Land geht es gut, die Menschen kommen mehr oder weniger über die Runden - und die Bundesrepublik übt sich weiterhin tapfer im "Anything goes". Jedenfalls wollen nun Söder und die anderen das konservative Profil schärfen, ja es überhaupt wieder kenntlich machen, sonst würde man ja gar nicht unterscheidbar sein von der SPD.

Ein diskursives Stück aus der Abteilung Sommertheater vor Ferienbeginn war es freilich nicht, denn die Union weiß ja tatsächlich nicht genau, was sie unter konservativ verstehen möchte. Was aber begreifbar sein kann, ist dies - und das teilten diese Politiker auch jüngst mit: Die Union stehe für Familie und Ehe, Kinder und so weiter. Das seien die Werte, die die Union zu stärken habe. In Wirklichkeit markiert dieses Bündel an Banalitäten das ganze Elend der Konservativen in diesem Land: Sie könnten, zumal nach dem 11. September, die wichtigsten Sprecher einer westlichen Liberalität sein, ein Schutzwall sowohl gegen multikulturalistische Beliebigkeit als auch gegen die Zumutungen antifreiheitlicher Strömungen in Osteuropa wie in der christianisierten Welt überhaupt. Sie könnten leidenschaftliche Fürsprecher für die Werte der Freiheit sein - gegen einen wahnhaftes Sicherheitsfanatismus vom Schlage Wolfgang Schäubles, gegen die Diskriminierungen von Minderheiten wie auch für die Wahlfreiheit von Frauen im Hinblick auf Kinder und Erwerbstätigkeit.

Stattdessen sitzen in diesem Café Einstein, am Wochenende obendrein von einem Gestrigen wie Jörg Schönbohm (Exführer der Union in Brandenburg, nicht mal im Unionsbundesvorstand) akkordiert, Männer, die von echten Lebenswelten ihres Landes keinen Schimmer haben - lediglich jene, die ihnen zuliebe in Bierzelten zusammengetrieben werden, sind ihnen nicht fremd. Und das soll ein Aufschrei gegen das Einerlei in der CDU sein? Das ist nicht einmal ein anregendes Seufzen bedrängter Kreaturen - das sind postpubertierende Politjungs, die in aller Öffentlichkeit einer Familienidee nachweinen, die selbst in ihren Kreisen weitgehend an Kraft verloren hat: Papa schuftet draußen in der bösen Welt, Mama kümmert sich um verrotzte Kindernasen bis zum Abend, liest den Gören vor, kocht Marmelade und denkt schon über den nächsten Nachwuchs nach, der bitte sehr in die Welt gesetzt werden müsse, damit all den Söders die Welt wieder eine behagliche sei.

Was die Debatte um Konservatismus in der Union wirklich spannend machen könnte, findet in diesen Kreisen keinen Spiegel. Sie haben intellektuell das Niveau von gefühlsseligen Esoterikern, die nicht einmal den Unterschied zwischen Kreationismus und moderner Evolutionsbiologie auf dem Radar haben. Hauptsache, die deutsche Welt wird nicht noch weiter so locker, wie sie eben ist. Selbst eine Ursula von der Leyen ist denen eine Inkarnation der Sozen, eine "Zecke" (Michael Glos, als er noch nicht Wirtschaftsminister war, sondern Oberkläffer der CSU gegen Rot-Grün) im Pelz des Konservativen, die alles zerstört, was das Wahre, Gute und Fünfzigerjahremäßige war.

Wenn der Union in dieser Debatte nichts weiter einfällt als Familie und Kinder, dann braucht sich niemand zu fürchten, diese Partei könnte in Bälde mehr als ein gutes Drittel der Wahlstimmen erreichen. Denn wenn diese real existierende deutsche Gesellschaft eines eint, dann doch dies: Niemand soll den Menschen moralische Vorschriften machen, keiner, schon gar nicht die pfaffenhafte Union, soll einem sagen, wie ein Leben zu führen ist. Ob man eine Familie im klassischen Sinne möchte, ob Kinder oder nicht, ist Gott sei Dank alles freiwillig zu wählen - oder nicht.

Das ist die wahre Crux der Union und ihres Konservatismus: Es interessiert sich nur eine Minderheit für diese Bänglichkeiten, ob denn das Abendland untergehe, wenn die Welt nicht nach dem Geschmack der Söders ist. Sie haben einfach keine interessanten Gedanken. Das und nur das ist besorgniserregend.

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3 Kommentare

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  • BV
    Bernd Veltmann

    Nur kurz vorab aus dem Text von Herrn Feddersen zitiert:

    "Sie (Söder, Mißfelder, Wüst, Mappus) haben intellektuell das Niveau von gefühlsseligen Esoterikern, die nicht einmal den Unterschied zwischen Kreationismus und moderner Evolutionsbiologie auf dem Radar haben. Hauptsache, die deutsche Welt wird nicht noch weiter so locker, wie sie eben ist."

     

    Oh je, Trägheit spricht aus diesen Worten. Klar: Wer bequem von Weitem blickt, kann um so bequemer seinen politischen Reflexen nachgeben. "Tiraden" reimt sich eben mit Mühe auf "roten Faden". Aber Ahnungslosigkeit darüber, was die politisch Angefeindeten antreibt, ergibt noch keine Analyse.

     

    Der fahrlässige Beitrag von Herrn Feddersen legt die Annahme nahe, Journalismus sei auch nur eine Form des "Ismus". Schön, dass die taz auch andere Beiträge druckt, die nicht auf der unbeweglichen Hoffnung des Verfassers beruhen, der Leser werde ohnehin seiner Meinung sein.

  • BV
    Bernd Veltmann

    Nur kurz vorab aus dem Text von Herrn Feddersen zitiert:

    "Sie (Söder, Mißfelder, Wüst, Mappus) haben intellektuell das Niveau von gefühlsseligen Esoterikern, die nicht einmal den Unterschied zwischen Kreationismus und moderner Evolutionsbiologie auf dem Radar haben. Hauptsache, die deutsche Welt wird nicht noch weiter so locker, wie sie eben ist."

     

    Oh je, Trägheit spricht aus diesen Worten. Klar: Wer bequem von Weitem blickt, kann um so bequemer seinen politischen Reflexen nachgeben. "Tiraden" reimt sich eben mit Mühe auf "roten Faden". Aber Ahnungslosigkeit darüber, was die politisch Angefeindeten antreibt, ergibt noch keine Analyse.

     

    Der fahrlässige Beitrag von Herrn Feddersen legt die Annahme nahe, Journalismus sei auch nur eine Form des "Ismus". Schön, dass die taz auch andere Beiträge druckt, die nicht auf der unbeweglichen Hoffnung des Verfassers beruhen, der Leser werde ohnehin seiner Meinung sein.

  • BV
    Bernd Veltmann

    Nur kurz vorab aus dem Text von Herrn Feddersen zitiert:

    "Sie (Söder, Mißfelder, Wüst, Mappus) haben intellektuell das Niveau von gefühlsseligen Esoterikern, die nicht einmal den Unterschied zwischen Kreationismus und moderner Evolutionsbiologie auf dem Radar haben. Hauptsache, die deutsche Welt wird nicht noch weiter so locker, wie sie eben ist."

     

    Oh je, Trägheit spricht aus diesen Worten. Klar: Wer bequem von Weitem blickt, kann um so bequemer seinen politischen Reflexen nachgeben. "Tiraden" reimt sich eben mit Mühe auf "roten Faden". Aber Ahnungslosigkeit darüber, was die politisch Angefeindeten antreibt, ergibt noch keine Analyse.

     

    Der fahrlässige Beitrag von Herrn Feddersen legt die Annahme nahe, Journalismus sei auch nur eine Form des "Ismus". Schön, dass die taz auch andere Beiträge druckt, die nicht auf der unbeweglichen Hoffnung des Verfassers beruhen, der Leser werde ohnehin seiner Meinung sein.