Kanzlerin: Doktor Angelas trockene Diagnose

Bei ihrer sommerlichen Sprechstunde für die Berliner Journalisten gibt Kanzlerin Merkel schlagfertig Auskunft: Atomausstieg nein, Waldschlösschenbrücke ja.

"Ring frei": Kanzlerin und Presse Bild: dpa

Ganz am Ende kam dann doch noch eine Frage, zu der ihr keine Antwort einfiel. Wie lange sie noch regieren wolle, wollte ein Journalist von Angela Merkel wissen - und machte sie zum einzigen Mal kurz sprachlos. Dabei war die Kanzlerin eigentlich auf alles, wirklich alles vorbereitet bei ihrer traditionellen Sprechstunde für die Hauptstadtpresse vor der Sommerpause, die offiziell hochtrabend "Bilanz und Ausblick" heißt.

Gerhard Schröder hat diese Tradition einst eingeführt und Merkel führt sie weiter, weil sie weiß: Die Journalisten lieben diese Möglichkeit zum Löchern. Es ist ein Spiel, bei dem es vor allem darum geht, souverän und schlagfertig zu sein. Merkel spielt dabei inzwischen gerne mit. Nur fünf Minuten Eingangsreferat mit einer selbstverständlich positiven Bilanz von zwei Jahren Koalition und dem Versprechen, fleißig weiterzuarbeiten, dann sagte sie: "Ring frei."

Ob Atomausstieg oder Dresdener Waldschlösschenbrücke - die Kanzlerin zeigte sich gut informiert und auskunftsfreudig. So erfuhr man: Den Atomausstieg lehnt sie trotz der aktuellen Störfälle weiter ab, den Bau der Brücke über das Elbtal nicht. Auch die unvermeidlichen Vergleiche mit Schröder, der die Sommerpressekonferenzen stets zu großen Showeinlagen nutzte, ließ Merkel locker abprallen. Warum von ihr denn keine Machtworte zu hören seien, wurde sie gefragt, ihr Vorgänger habe das doch gern gemacht. Merkels trockene Reaktion: "Ja gut, aber heute sitze ich hier."

Sie habe ihren eigenen Regierungsstil, erklärte Merkel. "Diskutieren, beleuchten und dann zu einer Entscheidung kommen." So sehe ihr Rezept für den gedeihlichen Umgang zwischen Koalitionspartnern aus und das habe sich bewährt. "Die Entscheidungen haben wir immer noch ganz gut hinbekommen."

So spricht jemand, der zufrieden ist. Zufrieden sein kann. "Wir freuen uns natürlich über die Arbeitsmarktentwicklung", sagt Merkel und verzichtet auf weitere Reformankündigungen, die der CDU-Wirtschaftsflügel fordert. Doch auf die ohnehin nur noch verhaltene Kritik aus den eigenen Reihen muss sie, unangefochten wie sie ist, nicht eingehen. Direkt vor der Journalistensprechstunde bekam Merkel die neuesten, wieder höchst erfreulichen Zahlen von den Demoskopen. In allen Umfragen liegt ihre Partei, die CDU, weiterhin weit vor der SPD. Und sie selbst liegt noch viel weiter vor ihrem potenziellen Konkurrenten Kurt Beck, dem SPD-Chef. 55 Prozent der Deutschen würden Merkel wählen, nur 16 Prozent Beck. Selbst eine Mehrheit der sozialdemokratischen Anhänger zieht die amtierende Christdemokratin dem Pfälzer vor. Warum also sollte Merkel irgendetwas ändern, warum sollte sie heute große neue Reformen ankündigen, die auf Widerstand stoßen und Sympathien kosten könnten?

Entsprechend vage fiel ihr "Ausblick" aus. Die Kinderfreundlichkeit gelte es zu verbessern, die Integration voranzutreiben - und strittige Themen wie die Mitarbeiterbeteiligung am Kapital oder die genaue Regelung der Mindestlöhne werde man bei der Kabinettsklausur Ende August besprechen.

Nur einen Vorwurf kann Merkel nicht ignorieren: den Vorwurf der SPD, sie schreite dauernd im Ausland über rote Teppiche und kümmere sich zu wenig um die heimischen Probleme. Diese Unterscheidung zwischen Außen- und Innenpolitik sei "altes Denken", sagt sie. Internationale Politik habe Einfluss auf den Erdölpreis - und dieser auf die deutsche Wirtschaft. Deshalb kümmere sie sich um alles.

Dann kommt die Frage: Wie lange noch? "Ich bin da eher ein kurzfristiger Denker", sagt Merkel. Sie fülle das Amt gerne aus und beabsichtige dies auch "die nächste Zeit" zu tun.

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