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Tour de FranceLiebessturm statt Doping-Rennen

Die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF beenden vorläufig die Live-Berichterstattung der Tour de France.

Die Öffentlich-Rechtlichen packen ihre Kameras ein Bild: dpa

Eine Viertelstunde vor Beginn der Live-Übertragung von der Tour de France wurde gestern der Ausstieg verkündet: "ARD und ZDF haben nach dem neuerlichen Dopingfall des T-Mobile-Fahrers Patrik Sinkewitz den vorläufigen Ausstieg aus der Berichterstattung von der Tour de France beschlossen", lautete die dürre Mitteilung. "Vorläufig" heißt dabei offiziell bis zur Öffnung der B-Probe. Doch intern wird bei den Öffentlich-Rechtlichen hier mit einem ebenfalls positiven Ergebnis gerechnet. Wer diese Tour weiter im TV erleben will, muss zu Eurosport umschalten: Der Sportkanal sendet trotz des konkreten Doping-Verdachts weiter. "Wir diskutieren gerade noch mal über das gesamte Thema, aber die Tendenz ist klar: Wir werden weitermachen", sagte Eurosport-Sprecher Werner Starz gestern der taz.

Man habe vor der Tour intensiv mit den teilnehmenden deutschen Teams geredet, diese "haben geschworen, sauber zu bleiben", sagte dagegen ARD-Programmdirektor Günter Struve. Nun müsse auch die ARD konsequent sein. "Wir haben immer klargemacht, dass wir einen Vertrag haben über eine Rad-Tour, einen Radsport, der mit sauberen Elementen laufen muss", sekundierte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender im hauseigenen "Mittagsmagazin". ARD und ZDF versuchten mit diesem Schritt dazu beizutragen, dass alle Beteiligten jetzt endlich klar Schiff machten: "Wir wollen einen sauberen Sport", so Brender.

Noch am Samstag hatte sich dagegen beim Etappensieg von Linus Gerdemann (Team T-Mobile) die öffentlich-rechtliche Begeisterung wie überschlagen. Gestern geißelte dann plötzlich ein ARD-Kommentator den Tour-Zirkus, bei dem "Radprofis angefeuert von enthusiastischen Fans über die Pässe fliegen - wie es das französische Fernsehen eben noch übertragen" habe. Auf Patrik Sinkewitz, den "Bannerträger im Versuchslabor eines sauberen Radsports" (ARD), konzentriert sich nun offenbar auch die Wut der Senderkommentatoren vor Ort: "Illusionen mag man sich eigentlich gar keine mehr machen", sagte ARD-Tour-Moderator Michael Antwerpes. Anstelle des Quotenknüllers Tour de France präsentierte die ARD gestern die Telenovela "Sturm der Liebe".

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6 Kommentare

 / 
  • SR
    Signor Rossi

    Ich bin begeistert von der Entscheidung der öffentlichen Sendeanstalten die Übertragung abzubrechen.ARD und ZDF hatten die Sportler im Vorfeld der Tour gewarnt das die Berichterstattung sofort beendet wird falls ein neuer Skandal aufgedeckt wird.

    Der ARD Programmdirektor ist erneut enttäuscht worden und der Herr Sinkewitz, der ist an allem Schuld.

    Nie wieder Musikantenstadel mit gefälschten Trompetensoli, Struve und Schäuble im Aufstand der Anständigen vereint, wir brauchen keine Judikative mehr denn ab heute weht ein ganz anderer Wind im Abwehrkampf gegen die schlechte Welt.

    Das die Aufgabe der Medien die Strafrechtliche Verfolgung von Dopingsündern beinhaltet war mir neu, ich dachte immer die Berichten nur von den Ereignissen aus öffentlichem Interresse, aber jetzt erscheint mir die Sache mit der steigenden GEZ-Gebühr auch klar : "Die bauen einen Folterknast, Guantanamo fürs ZDF / das Schnellgericht auf ARD", willkommen in der neuen Welt des Prangerns, Medienkompetenz an allen Orten.

  • JJ
    jjjjjjj jjjjj

    Wie wärs denn mit einer öffentlichen Debatte zum Kokskonsumverhalten der ARD/ZDF MitarbeiterInnen inkl. einer Forderung nach täglichen Kontrollen, Boykottandrohungen etc.?

  • PE
    P. Eckermann

    Langsam bin ich es leid. Dass beim Profisport gedopt wird, wissen wir doch alle. Die Pharmaindustrie profitiert davon und die Medien haben das jahrelang ignoriert - denn Sieger bringen nun mal eine bessere Quote. Dass das so ist, liegt ebenso in der Verantwortung der Medien. Schließlich sind es die (häufig selbstherrlichen) Kommentatoren, Berichterstatter und Printjournalisten, die uns Zuschauern jahrelang eintrichtern wollten, dass es beim Sport immer nur darum geht, bestehende Rekorde einzustellen. Ich persönlich möchte die Tour de France weiterhin sehen. Doping hin oder her. Die Berichterstattung abzubrechen, nur weil wieder jemand verbotene Substanzen genommen hat, finde ich nicht nur falsch, sondern im höchsten Maße kurzsichtig und ungerecht. Was, wenn bald bekannt wird, das beim Fußball genauso gedopt wird, wie beim Handball? Oder beim Motorsport? Oder beim Tennis? Das ist sicher nur eine Frage der Zeit. Werden sich ARD und ZDF dann vollkommen aus der Sportberichterstattung zurückziehen?

    Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt. Und in der Zwischenzeit sehe ich mir die Tour auf DSF an.

  • S
    SgtAwesome

    Könnte man nicht jeden Fahrer vor dem Start und nach dem Rennen direkt prüfen? Somit wäre es ja unmöglich einer Kontrolle zu entgehen.

  • H
    HeiterUndGelassen

    Find ich prima, dass endlich mal gehandelt wird, und zwar gegen das Geld.

     

    Hoffentlich springen die Sponsoren ab.

    Hoffentlich entwickelt sich mal eine Stimmung gegen fanatische Leistung, für Aktivität mit Spass und Spiel.

     

    Das gilt auch für die vielen dopenden Manager, Regiseure usw.

  • N
    N.Ehlinger

    Scheinheiliger gehts nicht.