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Der Stern im NetzMit Shakespeare zur Kasse gehen

Stern-Shortlist, das neue Anhängsel des Sterns im Netz, ist ein schlecht getarnter Amazon-Warenkorb. Und soll helfen, die Vormachtstellung von Spiegel Online zu knacken.

Seit dieser Woche gibt es die Stern-"Shortlists" im Internet (www.stern-shortlist.de). Geht klar, Listen liegen im Trend - siehe den Erfolg von Schotts Sammelsurium & Co. Die manchmal gewollt ironische Betitelung ("Filme, deren Hauptdarstellerin man sexy findet, es aber nie zugeben würde") und die relativ erratische Auswahl sind Konzept. Denn ein Teil der oft wenig einfallsreichen Listen wird zwar von der Redaktion verbrochen. Doch der größere Teil wird schon jetzt von den stern.de-NutzerInnen gemacht - neudeutsch: User Generated Content.

Ums Generieren gehts bei der Shortlist ohnehin: Klicks soll es geben für die Website - stern.de-Chef Frank Thomsen hat im Medienweblog turi2.de verkündet: "Wir wollen die Nummer 1 werden unter den publizistischen Angeboten, die es im Internet in Deutschland gibt." Denn der Stern sei "auf Augenhöhe zum Spiegel - und ebenso soll es Online sein". 600 Millionen Page Impressions pro Monat lautet Thomsens ehrgeiziges Ziel - derzeit sind es laut Klickzähler IVW gut 140 Millionen. Fast 395 Millionen sind es bei Spiegel-Online.

Generiert wird durch die Shortlists aber noch ganz etwas anderes: Umsatz, und zwar beim Internet-Medienkaufhaus Amazon. Auch bei von der Redaktion gemachten Listen: Die Liste "Alles, was Britain so great macht" etwa verzeichnet 15 Einträge - von den "Complete Works of William Shakespeare" bis zu einem CD-Sampler des BBC-Discjockeys John Peel. Klickt man auf die Titel, heißt es: "Produkt kaufen", zum Schnäppchenpreis von 8,95 Euro, mit direktem Link zu amazon.de. Bei den anderen Angeboten - Pardon: Einträgen - dieser Liste ist es genauso. Und damit gar nichts schiefgeht, prangt schon auf der Shortlist-Startseite ein Amazon-Warenkorb.

"Ziemlich daneben" finden das beim Stern RedakteurInnen, die nicht genannt werden wollen. Doch es reiht sich ein in den großen Abverkauf, den die Süddeutsche Zeitung mit ihren diversen eigenen Bibliotheken vor drei Jahren gestartet hatte - immerhin im Eigenvertrieb. Thomsen findet die vom Stern freundlich unterstützte Variante des Amazon-Katalogs logischerweise in Ordnung. Man erhalte nur eine "ganz normale Provision", und der Link zum Kauf sei heute eine "unerlässliche Serviceleistung".

Wie tröstlich, dass die Nutzung der Listen im Moment noch ein wenig zu wünschen übrig lässt: Die "Bücher, die man gelesen haben möchte"-Charts liefen, während dieser Text geschrieben wurde, in der Rubrik "Meist geklickt" - mit nur 980 Abrufen.

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