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die wahrheitFrühbucher sind Spätheimkehrer

Der einzige Weg, am Muttergeburtstag nach Mallorca zu gelangen, führt über Düsseldorf.

"Schlau bucht früh", schallt es mir aus dem Internet entgegen. "Schlau sein und Frühbucher-Angebot nutzen!" In Wirklichkeit sind Frühbucher Trottel. Ich gehöre leider dazu. Meine Mutter wird Ende Oktober achtzig. Ihren Geburtstag will sie auf keinen Fall zu Hause in Berlin feiern, sondern irgendwo anders in Europa. Egal wo.

Es war nicht einfach, ein Reiseziel zu finden, an das man ohne Umsteigen sowohl von Berlin als auch von Dublin aus möglichst zeitnah hinkommt. Mallorca war die einzige Möglichkeit. Die Preise waren im Mai dank Frühbucherrabatt günstig, die Flüge würden nahezu gleichzeitig am Abend in Palma landen. Nur der Rückflug nach Dublin bereitete Probleme, denn die irische Fluggesellschaft Aer Lingus stellt den Flugverkehr nach Mallorca Anfang November ein. So blieb nur der Umweg über einen deutschen Flughafen. Da Frühbucher auch bei Unterkunft und Mietwagen sparen können, war die Reise fünf Monate vor Antritt unter Dach und Fach. So lange im Voraus hatte ich noch nie gebucht.

Dann kam der Anruf meiner Mutter. "Ich stelle gerade fest, dass ich erst am Abend meines Geburtstags abfliege", sagte sie. "Das geht nicht. Dann hänge ich ja den ganzen Tag am Telefon. Ich fliege einen Tag früher und warte im Hotel auf dich." Umbuchen wäre teurer als neu buchen gewesen. Also wird der erste Frühbucher-Billigflug verfallen.

Im Juni kam eine Email von Aer Lingus: Man stelle den Verkehr nach Palma zwei Tage früher ein. Ich könne ja umbuchen. Der einzige Weg, am Muttergeburtstag nach Mallorca zu gelangen, führte nun über Düsseldorf. Der Anschlussflug mit einer anderen Fluggesellschaft geht selbstverständlich zu meinen Lasten. Und auch die Preisdifferenz zwischen dem Flug nach Palma und dem billigeren Ticket nach Düsseldorf werde nicht erstattet. Ich könne ja stornieren, erklärte die Aer-Lingus-Angestellte. Dann bekäme ich den vollen Preis zurück und könne neu buchen. Damit war der zweite Frühbucher-Billigflug perdu.

In der vorigen Woche erhielt ich wieder eine Email von Aer Lingus. Man habe den Abflug nach Düsseldorf um zwei Stunden nach hinten verschoben. Dadurch wäre der Anschlussflug nicht mehr zu erreichen, erklärte ich der kooperationsresistenten Fluglinienangestellten. "Mit Verschiebungen der Abflugzeiten muss man immer rechnen, wenn man so früh bucht", entgegnete der Schrecken aller Frühbucher. Aber die Fluglinien werben doch gerade damit, dass es günstiger sei, früh zu buchen, wandte ich ein. "Ist es doch auch", antwortete sie und fügte hämisch hinzu: "Sie können ja umbuchen." Wie denn? Es ist der einzige Flug nach Düsseldorf an diesem Tag.

Als Alternative blieb nur, den Anschlussflug umzubuchen. Ich ahnte, dass es billiger sein würde, neu zu buchen statt umzubuchen. Damit wird auch der dritte Frühbucher-Billigflug verfallen. Wenn man alle Flugpreise addiert, kommt man auf eine Summe, die für eine Woche Las Vegas inklusive Casinobesuch gereicht hätte. Und es ist noch gut ein Vierteljahr bis zur Reise. Was in der Zeit alles passieren kann! Wenn auch der Rückflug gestrichen wird, muss ich den Winter auf Mallorca verbringen und komme als Spätheimkehrer im Frühjahr nach Hause.

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