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MalariaWHO wieder gegen DDT

Vor einem Jahr forderte die Weltgesundheitsorganisation, Wohnräume mit DDT zu besprühen, um Malariamücken zu töten. Nun rudert sie zurück: Das Gift soll nur ausnahmsweise benutzt werden.

Kein Spaß: Malariamücke vor dem Einstich. Bild: dpa

Bei Umweltschützern läuteten alle Alarmglocken, als im vergangenen Jahr Offizielle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dafür eintraten, im Kampf gegen Malaria wieder vermehrt das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan einzusetzen. Das Fraß- und Kontaktgift, das unter dem Kürzel DDT weltweit zu einem Symbol für die Umweltzerstörung durch Pestizide wurde, gehört zu den langlebigen, organischen Umweltgiften, deren Produktion und Anwendung durch die Stockholm-Konvention seit 2004 verboten sind.

Für DDT wurden jedoch Ausnahmen zugelassen. Seitdem gab es immer wieder Forderungen, unter anderem von der Chemielobby, die Anwendung von DTT bei der Malariabekämpfung zu erleichtern.

Schon bei der Verabschiedung der Stockholm-Konvention gab es vehementen Widerstand gegen das darin festgeschriebene Produktions- und Anwendungsverbot der sogenannten zwölf POPs (persistent organic pollutants), zu denen neben DDT auch die Umweltgifte Hexachlorphenol, Endrin und polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören - das "dreckige Dutzend".

Lediglich für DDT wurden in dem seit 2004 gültigen POP-Übereinkommen Sonderregelungen zugelassen. Es darf zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie etwa Malaria genutzt werden. In der Landwirtschaft ist der DDT-Einsatz hingegen gänzlich untersagt.

Das Ziel des POP-Übereinkommen war eindeutig formuliert. Langfristig sollten zu DDT Alternativen bei der Malariabekämpfung entwickelt werden. Die WHO berücksichtigte in den vergangenen Jahren in ihren Malariaprogrammen auch dieses Ziel. Umso überraschter waren Umweltschützer, als im September vergangenen Jahres die WHO der Presse mitteilte, dass DDT wieder eine Hauptrolle bei der Malariabekämpfung spielen müsse.

"Eine unserer wirksamsten Waffen dabei ist das Besprühen von Wohnräumen mit dem Insektizid DDT", hieß es plötzlich bei der WHO. DDT sei das wirksamste und billigste Mittel, afrikanische Kinder vor dem Malariatod zu schützen, erklärte Pierre Guillet, von der WHO.

Erst vor kurzem gab es Entwarnung. Auf der Vertragsstaatenkonferenz zum POP-Abkommen im senegalesischen Dakar ruderte die WHO wieder zurück. Es bleibt bei dem eingeschränkten und streng reglementierten DDT-Einsatz bei der Malariabekämpfung. DDT soll demnach auf Antrag nur zum Besprühen von Wohnraumwänden eingesetzt werden und auch nur dann, wenn kurzfristig keine anderen Alternativen zur Verfügung stehen.

"Wir sind mit dem Ergebnis zu frieden", sagt Carina Weber vom Pestizid-AktionsNetzwerk (PAN) in Hamburg. Das international organisierte Netzwerk hatte sich lange Zeit für das in Stockholm vereinbarte Verbot des "dreckigen Dutzends" eingesetzt. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen einen zeitlich beschränkten DDT-Einsatz, zum Beispiel wenn bei einer Flutkatastrophe die Malariamücken durch ideale Brutbedingungen massenhaft auftreten", so Weber, "aber es muss eine kurzfristig angelegte Ausnahme bleiben."

Viel wichtiger und effektiver sind für Weber vorbeugenden Maßnahmen, die ohne Chemie die Vermehrung der Malariaüberträger verhindert. Sie verweist auf Länder wie Mexiko oder Vietnam, die ohne DDT die Zahl der Malariainfektionen reduzieren konnten. "Das muss aber auch politisch gewollt sein", sagt die PAN-Expertin.

Ähnlich sieht es das Bundesumweltamt (UBA) in Dessau. In einer heute veröffentlichten Studie ("Kampf gegen die Malaria: DDT muss unter Kontrolle bleiben") hält das UBA "ein Verzicht auf die DDT-Anwendung für möglich, ohne die Gesundheit der Menschen in den Malariagebieten aufs Spiel zu setzen".

Vor allem die Langzeitwirkung des DDT und seiner Abbauprodukte sind gefürchtet. Selbst dort, wo DDT schon seit über 30 Jahren auf der Verbotsliste steht, sei das Pestizid noch im Blut nachweisbar, erklärt Jutta Klasen, vom UBA. Derzeit werden noch jährlich 6.000 bis 7.000 Tonnen DDT versprüht. Zwölf Länder nehmen derzeit die Ausnahmeregelung in Anspruch. Auch die Bundesregierung unterstützt die Dakar-Beschlüsse. DDT soll nur als Ultima Ratio in begründeten Fällen eingesetzt werden, heißt es in dem UBA-Papier.

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2 Kommentare

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  • DM
    Dieter Meppiel

    DDT muss weiterhin als "Notfalllösung" bereitgehalten werden, aber nur in geringstmöglichen Mengen und limitiert im Einsatz. Andererseits gäbe es gnügend Produktionskapazität für Artemisinin-Kombinationsprodukte, die Schätzungen der WHO betr. Menge von Artemisinin waren - nicht zuletzt aufgrund von Kommunikationsproblemen zwischen WHO und Herstellern - ungenau. Trotzdem, die hochwirksamen Medikamente wären verfügbar, wenn nur die politischen Gremien schneller handeln würden...

  • RF
    Regina Fischer

    Liebe taz-Rdaktion,

    die von Ihnen zitierte UBA-Meldung erscheint angesichts der Situation geradezu zynisch ! "Malaria hin oder her - DDT muss unter Kontrolle bleiben" ! So ist es doch wohl gemeint ...!

    Dass Pyrethroide nicht mehr wirken, ist allgemein bekannt. Moskitonetze haben 1. eine schlechte Akzeptanz, 2. einen begrenzten Wirkungsgrad und sind 3. für die Leute dort viel zu teuer.

    Wie sollen übrigens die Viecher gegen DDT resistent geworden sein, wo es doch seit Jahren nicht mehr eingesetzt wird ?!?

     

    Artemisin-Präparate, aus einer Beifuß-Art gewonnen, haben zwar wenig Nebenwirkungen, und es gibt (noch) keine Resistenzen, aber das Problem ist: die Produktionskapazitäten bzw. Mengen an pflanzlichen Rohstoffen reichen nicht, weil die WHO den Bedarf falsch eingeschätzt hat.

    Aber es gibt Hoffnung : Das Institute for One World Health, eine US-amerikanische Non-profit-Pharmafirma, entwickelt in Zusammenarbeit mit einem Biotech-Unternehmen ebenfalls ein Artemisin-Präparat. Der lebensrettende Rohstoff wird allerdings - na wie wohl ??? - gentechnisch hergestellt - das ist ja dann wohl politisch auch nicht gewünscht ...

     

    Zum Thema Malaria siehe auch http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=46618 - zwar schon 2 Jahre alt, aber immer noch lehrreich !

     

    Zur Rolle einer - hier nicht genannten - bekannten Umweltorganisation in der DDT-Diskussion empfehle ich als Lektüre den offenen Brief der Organisation Africa Fighting Malaria unter http://www.fightingmalaria.org/pdfs/AFM_Greenpeace_Letter.pdf

     

    Im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung, beste Grüße !