US-Vorwahlkampf: Der Budenzauber von Iowa

Wenn Politiker versprechen, im Irak zu gewinnen, ist Vorwahlkampf fürs Weiße Haus. In Ames schauen Republikaner, wie der politische Wind weht.

Anhänger des Präsidentschaftsanwärters Sam Brownback in Ames Bild: ap

Es geht um den wichtigsten Job der Welt. Und das Auswahlverfahren dafür beginnt in Ames, Iowa. Hier, auf dem platten Land, veranstaltet die ziemlich runtergewirtschaftete Republikanische Partei eine gigantische Kirmes mit einem kleinen Riesenrad, einem großen Kandidatenkarussell und ein paar Geisterbahnfahrern. Das Besondere ist: Die Kandidaten müssen für ihre Bewerbung bezahlen. Und tatsächlich sind sie bereit, Millionen Dollar dafür auszugeben, Kirmeskönig von Iowa zu werden. Denn erfahrungsgemäß ist ein Sieg beim Iowa Straw Poll ein Sprungbrett ins Weiße Haus. Dort wird im kommenden Jahr der Job des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika frei.

Die Party: Der Straw Poll ist eine Erfindung der Republikanischen Partei. Auf dieser Politkirmes in Iowa will man schauen, wohin der politische Wind das straw, also die Parteimitglieder, weht. Die Abstimmung gilt als erster Indikator für die Organisation der Kandidaten vor den parteiinternen Vorwahlen im Januar 2008. Vor acht Jahren gewann der heutige US-Präsident George W. Bush die Testwahl.

Die Gäste: Wer im Straw Poll wählen möchte, muss im Bundesstaat Iowa leben und außerdem 35 Dollar Eintritt zahlen. Deshalb sind die Kandidaten dazu übergegangen, Kartenkontingente aufzukaufen und Busse zu chartern, mit denen ihre Wähler nach Ames gefahren werden. In diesem Jahr haben 14.302 BesucherInnen abgestimmt.

Das Ergebnis: Mit 31,5 Prozent hat Mitt Romney die Abstimmung gewonnen. Der frühere Gouverneur von Massachusetts gilt neben dem ehemaligen Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, dem früheren Senator Fred Thompson und Senator John McCain als einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Republikanischen Partei für die Präsidentschaftswahl 2008.

Wer den Straw Poll gewinnt - die Probewahl, bei der geschaut wird, wohin der politische Wind das Stroh, also den Wähler, weht -, kann mit wertvoller Medienpräsenz rechnen. Sämtliche US-Sender berichten live, wer am günstigsten im Wind in Iowa steht. Deshalb nehmen die republikanischen Präsidentschaftsbewerber die "Strohwahl" in Ames ernst und locken Wähler von Iowa mit jeder Menge "fun, fun, fun".

Offensichtlich ist das Leben in dem Bundesstaat, dessen drei Millionen Einwohner jedes Jahr 31,8 Millionen Schweine züchten, nicht besonders unterhaltsam. Wohl deshalb sind 35.000 von ihnen nach Ames gekommen, 14.302 werden am Ende abstimmen. An diesem brüllend heißen Samstag heizen die Gladiatoren der Menge so ein, dass einem bei ihren Worten der Angstschweiß ausbrechen kann. "Wir sollten Mekka bombardieren", schlägt etwa Kandidat Tom Tancredo vor. Der 20-jährige Steve, der ein T-Shirt des Kongressabgeordneten aus Colorado trägt, hält das für "eine gute Idee, um den terroristischen Muslimen zu zeigen: Wenn sie so weitermachen, werden wir sie zerstören." Tancredo verspricht, als Präsident die amerikanische Kultur zu verteidigen und die Grenzen zu schützen und landet mit 13,7 Prozent der Strohwählerstimmen auf einem respektablen 4. Platz.

Selbstredend braucht ein anständiger Jahrmarkt anstellige Wunderheiler. So bekommt Kandidat Tommy Thompson tosenden Applaus für sein Versprechen, bis 2015 Brustkrebs zu heilen, bis 2020 den Prostatakrebs und den Darmkrebs bis 2025. Warum er dazu erst Präsident werden muss, bleibt sein Geheimnis. Künftig wird der frühere Gouverneur von Wisconsin über seine weiteren Ambitionen wohl schweigen, denn die Wählergunst wehte nur 7,3 Prozent der Halme in seine Richtung: 6. Platz und damit aus dem Rennen.

Im aufwändig gestalteten Zelt des Kandidaten Sam Brownback sitzen Betty, 63, und Harold, 67. Sie wünschen sich, dass "endlich jemand mit legalen Abtreibungen Schluss macht", der nächste Präsident außerdem das "Weihnachtsfest retten" und dafür sorgen soll, dass die Kinder "das Richtige lernen", also im Biologieunterricht die Schöpfungsgeschichte. Um all dies will sich der Senator von Kansas, fünffacher Vater und mehrfacher Millionär, kümmern. Dafür geben ihm 15,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler Rückenwind, das ist die Bronzemedaille von Ames.

Bewerber Duncan Hunter, ein Vietnamkriegsveteran mit einem Sohn in Irak, verteilt im Nadelstreifenanzug traditionelle amerikanische Eiskrem und schüttelt die klebrigen Hände seiner Anhänger, die ihm sagen: "Vielen Dank für den Zaun." Man könnte annehmen, sie meinten damit eine Art Nachbarschaftshilfe gegen Salat fressende Hasen. Doch die Rede ist von dem Sperrzaun an der Grenze zu Mexiko, den der kalifornische Kongressabgeordnete hat bauen lassen. "Überall gratulieren mir unsere Bürger", sagt Hunter, "die Amerikaner lieben den Zaun, wir müssen uns schützen". Aber er beackert nicht allein dieses Themenfeld und bekommt am Ende nur magere 1,2 Prozent.

Dazwischen tummeln sich die Schießbudenfiguren. Es gibt einen großen Stand und ausführlich Redezeit für die National Rifle Association, die amerikanische Schusswaffenvereinigung. Kein republikanischer Kandidat würde je dem Wahlvolk das Recht auf Bewaffnung absprechen. Ron Paul, immerhin gewähltes Kongressmitglied aus Texas, sagt in seiner Bewerbungsrede für das höchste Amt im Staate gar, die Terroranschläge vom 11. September hätten verhindert werden können, wären die Passagiere der entführten Flugzeuge bewaffnet gewesen. Tatsächlich gibt es auf der Kirmes keinerlei Sicherheitskontrollen, aber wahrscheinlich sind hier sowieso alle bewaffnet. Und wer für eine ungewisse Zukunft noch aufrüsten will, kann bei dem Kongressabgeordneten Duncan Hunter eine "Ruger Red Label 12 gauge shotgun" im Wert von 2.000 Dollar gewinnen.

Ganz am Rande des Rummelplatzes hat "Die Stimme für die 50 Millionen unversicherten Amerikaner" nur ganz wenige Besucher, schmuggelt aber später immerhin einige Plakate ins Auditorium. Die Bildungsinitiative "Ed in 08" am Stand daneben staubt einige Lippenbekenntnisse der Bewerber ab. Und die "Fair Tax"-Kampagne verbucht mit ihrer Idee der Abschaffung der Einkommensteuer erheblichen Zulauf. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass sie mit vier Windmaschinen kalte Luft in die 40 Grad heiße Atmosphäre bläst. Apropos - obwohl inzwischen mancher Republikaner gelegentlich das Wort Umweltschutz in den Mund nimmt, hat keiner der Kandidaten in Ames eine konkrete Maßnahme gegen die Klimakatastrophe in petto.

So ist das gesamte Panoptikum der "Grand Old Party" da. Nur einer ist so sehr nicht da, dass man meinen könnte, er existiere gar nicht mehr: Der Inhaber des wichtigsten Jobs der Welt wird auf dem Jahrmarkt seiner Möchte-gern-Nachfolger praktisch nicht erwähnt. Alle Kandidaten wollen es besser machen als George Walker Bush. Keiner der anwesenden acht Aspiranten spricht sich für das gescheiterte Einwanderungsgesetz von Bush aus. Niemand will den Millionen hart schuftenden Mexikanern in Amerika ein Bleiberecht geben. Alle wollen die illegale Immigration bekämpfen, alle wollen in Irak doch noch gewinnen - und keiner sagt, wie.

Kandidat Mitt Romney etwa verkündet: "Wenn es je einen Zeitpunkt gegeben hat, in dem wir eine Veränderung in Washington dringend brauchen, dann ist er jetzt da." Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts hat für seinen Budenzauber in Iowa das meiste Geld gezahlt. Also hat er das größte Zelt, die größte Bühne, den aufgeblasensten Kinderspielplatz, er hat die meisten Eintrittskarten gekauft und verschenkt, die meisten Busse gechartert und Freifahrten und quietschgelbe T-Shirts und kostenlose Mahlzeiten verteilt. Und so gewinnt er am Ende mit 31,6 Prozent der abgegebenen 14.302 Stimmen die Strohwahl 2007.

Allerdings scheint pure Kaufkraft den Wind doch nicht allein in die gewünschte Richtung drehen zu können. Anders ist nicht zu erklären, dass Mike Huckebee überraschend Zweiter wird. Der ehemalige Gouverneur von Arkansas verteilt lediglich eine 150-Kilo-Wassermelone und spielt den Bass seiner Rockband "Capitol Offense". Das aber macht ihn in den Augen und Ohren von Justin, 26, "unbestreitbar zum coolsten Kandidaten". Einen erfrischenden Gegenwind hat offenbar auch seine Rede erzeugt: "Verehrte Wähler, ich kann euch nicht kaufen, ich habe nicht mal genug Geld, euch zu mieten." Huckebee kriegt 18,1 Prozent - Silbermedaille.

Zugleich werden wilde Spekulationen entfacht, was der Straw Poll eigentlich bedeutet. Denn zwei der heißesten Kandidaten auf den Job - der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani und der altgediente Senator John McCain - sind gar nicht gekommen. Düpierte Strohwähler meinen, dass noch nie jemand Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika geworden sei, der Ames gescheut hat.

Dafür zeigt Newt Gingrich, langjähriger Hauptdarsteller der Republikaner, demonstrativ Flagge. Im Zelt seiner "American Solutions"-Bewegung zelebriert er weißhaarig seine Rolle als Elder Statesman und kanzelt alle erklärten Kandidaten als "kleine Leute" ab, die sich willfährig dem 30-Sekunden-Statement-Diktat der großen Medien beugen. Gingrich vergisst auch nicht zu erwähnen, im September, wenn der Irak-Bericht fällig ist, höchstselbst auf das Karussell aufspringen zu wollen.

Auch der Schauspieler und Exsenator von Tennessee, Fred Thompson, Star einer Krimiserie, verharrt noch in den Kulissen. So steht derzeit nur fest: Ab sofort ist der US-Präsidentschaftswahlkampf voll entbrannt - Wahrsager werden bis zur Entscheidung am 4. November 2008 gut zu tun haben.

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