Kommentar: Spiel mit dem Feuer
Der EU-Vertreter der Verhandlungstroika im Kosovokonflikt hat die Teilung der Provinz vorgeschlagen. Skandalös! Denn das wäre eine Grenzziehung nach ethnischen Kritierien.
L ange hatte man vergeblich auf eine gemeinsame Position Europas zur Lösung des Kosovokonflikts gewartet. Wolfgang Ischinger, der europäische Vertreter in der aus den USA, Russland und der EU bestehenden Troika, hat nun die Möglichkeit einer Teilung des Kosovo angedeutet. Zwar hat er dies gleich wieder dementiert, aber die Idee ist jetzt erst einmal in der Welt - so wie schon die Idee einer Föderation zwischen Serbien und Kosovo, die der EU-Außenpolitiker Javier Solana kürzlich zu lancieren versuchte, was jedoch versandete.
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent für Ex-Jugoslawien
Ischingers Vorschlag ist beispiellos skandalös: Er würde die gesamte bisherige Balkanpolitik der Weltgemeinschaft - nicht nur der EU, sondern auch jene der UN, der OSZE, der Nato und anderer internationaler Organisationen - über den Haufen werfen. Bisher hatte man beim Zerfall Jugoslawiens stets an den Grenzen der ehemaligen Republiken und autonomen Gebiete festgehalten. Aus gutem Grund. Denn zöge man die Grenzen nach ethnischen Kriterien neu, gäbe man den Kriegstreibern der jüngsten Balkankriege nachträglich recht. Ethnische Vertreibung und Massenmorde würden damit gerechtfertigt. Wozu dann überhaupt noch das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag?
Ohne Not hat sich Deutschland in der Kosovofrage an die Spitze Europas gesetzt: Ischinger ist Verhandler, auch die Chefs der UN-Mission und der OSZE sind Deutsche und die Bundeswehr stellt das stärkste Kontingent der KFOR-Truppen. Wer sich so in Szene setzt, der sollte über ein gut durchdachtes Konzept verfügen. Die Idee einer Teilung des Kosovo gehört nicht dazu. Sie wird zwar sicherlich von nationalistischen Extremisten aller Seiten aufgegriffen werden, aber um welchen Preis? Mazedonien und Bosnien und Herzegowina würden destabilisiert, selbst Serbien bekäme Probleme: Warum sollten dann nicht auch die Albaner und die Sandþakmuslime nach Loslösung von Serbien streben? Und welches Beispiel wäre dies für Pomaken in Bulgarien oder Ungarn in Rumänien und der Slowakei. Ischingers Idee zeigt nur, dass die EU-Außenpolitik unter deutscher Führung in Gefahr gerät, prinzipienlos zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein