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KommentarDas Mindestlohn-Dilemma

Kommentar von Katharina Kouffen

Münteferings Mindestlohn hat einen Haken: Er muss deutlich über Hartz IV-Niveau liegen. Ein Ausweg könnte eine Negativsteuer sein.

N icht genug, dass Oskar Lafontaine und seine Leute den SPD-Genossen täglich vor Augen führen, wer die wahren Linken sind. Nein, jetzt setzt auch noch ein CDU-Ministerpräsident zum Überholmanöver von links an. Da kann man schon ärgerlich werden, wenn man Franz Müntefering heißt, Sozialdemokrat sowie Arbeits- und Sozialminister ist und seit Monaten recht erfolglos für soziale Gerechtigkeit kämpft.

taz

Katharina Koufen ist Korrespondentin im Parlamentsbüro der taz.

Kein Wunder also, dass Müntefering der Forderung von Thüringens Landesvater Dieter Althaus nach höheren Hartz-IV-Sätzen gleich noch eins draufsetzt: mehr Geld für Bedürftige, ja bitte, aber an einen Mindestlohn gekoppelt. Denn, so die Logik des Ministers, die höheren Ausgaben für Hartz IV müssen anderswo eingespart werden. Und Müntefering stört es schon lange, dass Arbeitgeber geringe Löhne zahlen, wohl wissend, dass der Staat den Rest bis zum Existenzminimum drauflegt.

So weit, so gut, so sozial gerecht. Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat die Koppelung von Hartz IV an einen Mindestlohn jedoch einen Haken: Ein Mindestlohn im Sinne von Müntfering muss deutlich über Hartz-IV-Niveau liegen, da er ein Leben in Würde garantieren und gleichzeitig einen Anreiz zur Aufnahme von Arbeit bieten soll. Je höher also die Hartz-IV-Sätze, desto höher fällt auch der Mindestlohn aus. Wo aber liegt ein Mindestlohn, der einerseits Dumping-Arbeit verhindert, andererseits in strukturschwachen Gegenden im Osten keine Arbeitsplätze kostet? Um das Dilemma zu umgehen, bietet sich eine andere Lösung an: eine Negativsteuer, die geringe Einkommen bis deutlich über Hartz-IV-Niveau aufstockt. Damit bliebe der Anreiz bestehen, Jobs mit niedriger Produktivität zu schaffen. Gleichzeitig müsste ein Arbeitgeber-Mindestlohn eingeführt werden, der verhindert, dass die Unternehmen ihre Löhne zu stark senken.

Nun ist es nicht so, dass die Koalition nicht auch schon auf diese Idee gestoßen wäre: Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger schlug ein ähnliches Modell mit 4,50 Euro Mindestlohn vor. Der Vorschlag ist zwar nicht im Sinne der traditionellen Linken, aber er wäre ein Kompromiss: Weder würden Arbeitsplätze vernichtet noch Löhne im freien Fall sinken. Das müsste eigentlich auch für Müntefering attraktiv sein.

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3 Kommentare

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  • TL
    Thomas Lukscheider

    Ein Mindestlohn von 4,50 Euro netto ist ein schlechter Witz. Das wären auf den Monat umgerechnet knapp 600 Euro!

     

    Hier einige Werte, die Dimensionen angeben:

    Ein Alleinstehender unter HartzIV muß mit 347 plus ca. 250 bis 300 Miet- und Nebenkostenzuschuss auskommen, macht 600 bis 650 Euro netto pro Monat.

     

    Alleinerziehende mit einem Kind kommen im Schnitt auf knapp 850 Euro.

    Bei 2 Kindern liegt des verfügbare Einkommen bei knapp 1000 Euro.

    Eine vierköpfige Familie muß unter Hartz IV mit rund 1250 bis 1300 Euro netto auskommen.

     

    Diese Einkommen ermöglichen kein Leben in Würde, weil keine Mindest-Teilnahme mehr am gesellschaftlichen Leben möglich ist.

     

    Nochmals. Ein Mindestlohn von 4,50 Euro ist ein schlechter Witz. Die Bürokräfte der SPD erhielten rund 5,80 Euro brutto pro Stunde, das Zeitarbeitsunternehmen strich knapp 17 Euro ein. Der Regelfall ist nicht, dass Kleinunternehmen nicht anders können als Hungerlöhne zu bezahlen, der Regelfall ist, dass Abzockerfirmen die Löhne so in den Keller drücken, dass sie an den ungeschützten Arbeitskräften Spannen von 150% bis 200% verdienen.

     

    Um wenigstens die gröbsten Missstände zu verhindern, muss ein Mindestlohn von wenigstens 8 Euro her. Das bedeutet einen Monatsverdienst von ca. 1450 Euro brutto, nach Abzügen plus evtl. Zuschüssen ungefähr 1200 bis 1350 Euro netto.

     

    Für alleinstehende HartzIV-Empfänger sind das 50% mehr als sie unter HartzIV bekommen. Anreiz genug.

     

    Für Alleinstehende mit 1 Kind wären es immer noch rund 35% mehr als sie unter HartzIV bekämen.

     

    In Fällen, wo Kleinunternehmen tatsächlich durch Mindestlohnzahlungen in Existenznot geraten, muß eben ein Zuschuss gezahlt werden, der dies auffängt. Diese Bezuschussung ist immer noch für Staat, Arbeitnehmer und Kleinunternehmen finanziell weitaus günstiger und würdevoller als die sonst nötigen HartzIV-Zahlungen samt teurer Bürokratie mit all ihren Schikanen.

     

    Auch ist die Zahl der betroffenen Beschäftigten in Kleinunternehmen im Vergleich nur ein Bruchteil der Arbeitskräfte, die von Abzockerfirmen gnadenlos ausgenommen werden.

     

    Heute profitieren vor allem Zeitarbeitsfirmen und etliche "schwarze Schafe" unter den großen vom fehlenden Mindestlohn. Wenn eine Putzkraft im Bundestag gerade mal 5,50 Euro brutto pro Stunde erhält, die Zeitarbeitsfirma aber 15 Euro einstreicht, dann ist das ein Unding.

     

    Da wo Kleinbetriebe, wie zB Friseure im Osten, wirklich am Rande des Existenzminimums laborieren, ist eine staatliche Bezuschussung ( wie zB eine negative income tax) sinnvoll.

  • AM
    Armin Mertin

    Hartz-IV-Niveau ? Worüber reden wir ?

    Ein Arbeitsloser, dem nach erfolgter Bedürftigkeitsprüfung ALG II bewilligt wird, bekommt den Regelsatz

    von ? 347,-- PLUS seiner (angemessenen) Miete PLUS Anteile an den Nebenkosten monatlich als Leistung der Agentur für Arbeit ausgezahlt.

    Wie soll ein Mindestlohn von vorgeschlagenen ? 4,50/h ein ?Leben in Würde? ermöglichen, geschweige denn garantieren können. Wenn man sich mal vergegenwärtigt, was am Monatsende bei z.B. 40 Wochenarbeitsstunden als Verdienst auf dem Lohnzettel steht, bleibt einem in den meisten Fällen der Gang zum Sozialamt trotzdem nicht erspart, um EXISTIEREN zu können !

    Selbst das Modell Negativsteuer greift da meiner Meinung nach nicht, denn: wie ?hoch? bzw. ?niedrig? muß

    diese Steuer sein, um das Einkommen bei Jobs mit geringer Produktivität so aufzustocken, daß es ?DEUTLICH? über Hatz-IV-Niveau liegt, und zur Arbeitsaufnahme animiert ?

  • FM
    Frank Meseberg

    Naivität läßt grüßen. Ein befürworteter Mindestlohn von 4,50,- Euro dient doch wieder nur zur beruhigung der Unterpriveligierten. Solche Ideen können doch nur von Politikern oder sogenannten "Wirtschaftsexperten" stammen. Hier, wie von Frau Kouffen, von einem Kompromiss zu sprechen ist doch allein schon ein Hohn. Setzt Euch auf euren Hintern, nehmt einen Taschenrechner und errechnet mal das was dabei effektiv zum Leben übrig bleibt. So schwer kann das doch nun auch nicht sein.