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DieselrußKein Fahrverbot trotz Feinstaubplage

Obwohl die Grenzwerte für Feinstaub in fünf Städten überschritten sind, ist wieder nicht mit Fahrverboten zu rechnen. Viele Autofahrer düsen deshalb weiter mit ungefilterten Dieseln herum.

Pkws durften bislang stets weiterfahren. Bild: dpa

In mindestens fünf deutschen Städten ist es wieder so weit: Die Belastung durch Feinstaub hat ihr Limit überschritten. In Dortmund, Stuttgart, Cottbus, Bottrop und Essen wurden an mehr als 35 Tagen mehr als 50 Mikrogramm der gesundheitsgefährdenden Minipartikel in einem Kubikmeter Luft gemessen. Wäre alles nach den Plänen des Bundes gegangen, hätten diese Städte Fahrverbote für ungefilterte Dieselfahrzeuge verhängen müssen. Denn seit dem 1. März diesen Jahres können die Kommunen Umweltzonen einführen, in denen keine Autos fahren dürfen, die besonders viel Feinstaub erzeugen. Tatsächlich passiert ist allerdings noch nichts: Die Kommunen schieben ihre Pläne bislang vor sich her. Umweltschützer gehen jetzt davon aus, dass es die ersten Umweltzonen ab dem 1. Januar 2008 geben wird - und dass dann in fast 70 Städten umgehend Fahrverbote drohen.

Dabei haben insgesamt bereits 21 Städte Umrisse und Details entsprechender Fahrverbotsgebiete veröffentlicht, seit die Bundesregierung mit der sogenannten Plakettenverordnung den Weg geebnet hat. Aufkleber in den Farben der Verkehrsampeln sollen auf den ersten Blick erkennbar machen, ob ein Wagen viel oder wenig Schadstoffe ausstößt. In den Umweltzonen fahren darf nur, wer eine Plakette vorweisen kann. Bei erhöhter Luftbelastung können die Fahrverbote in den Zonen auch auf Fahrzeuge mit roten oder gelben Aufklebern ausgeweitet werden.

Das Problem bei der Umsetzung war vor eine Schluderei bei der Formulierung der Verordnung. Für die Einteilung der Plaketten orientierten sich die Experten an vorhandenen Schadstofftabellen, die nicht nur den Ausstoß von Feinstaub, sondern auch von anderen Schadstoffen wie vor allem Stickoxiden berücksichtigen, für die es noch keine Grenzwerte gibt. Die Folge: Nicht nur Diesel-Pkw, die nur die Euro-Norm 1 oder weniger erfüllen, müssten Fahrverbot bekommen. Auch Benziner ohne geregelten Katalysator hätten draußen bleiben sollen - und das, obwohl sie nicht mehr Feinstaub produzieren als etwa ein Diesel mit Euro-3-Norm, der noch ein paar Jahre freie Fahrt haben dürfte. Für zusätzliche Verwirrung sorgten Lobbygruppen wie Oldtimerfanclubs, die keine Umrüstungsmöglichkeit für ihre alten Autos sahen und auf Ausnahmen drängten.

"Wir hatten uns auf die Einrichtung einer Umweltzone zum ersten Juli vorbereitet", sagt Stuttgarts Stadtsprecher Andreas Reith. Inzwischen aber vertreibt Stuttgart wie viele andere Städte immerhin schon die Plaketten.

Auch in Dortmund kann man die Aufkleber für fünf Euro bekommen, und im Aktionsplan der Stadt sind Fahrverbote vorgesehen. Nur: Für die Ausweisung einer Umweltzone wäre die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. "Wir warten jetzt seit drei Monaten auf eine Entscheidung", sagt Dortmunds Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch. Derweil behilft man sich vor allem an der Brackeler Straße, wo die Grenzwerte schon an 54 Tagen überschritten wurden, mit Einzelmaßnahmen. "Wir haben eine Pförtnerampel eingerichtet, führen jeden Tag Nassreinigungen durch und haben ein Durchfahrtsverbot für Lkw größer 3,5 Tonnen ausgesprochen", so Skupsch. Allerdings reiche das "bei weitem nicht aus".

Im brandenburgischen Cottbus setzt man dagegen lieber auf langfristige Maßnahmen. Obwohl die Messstation auf der Bahnhofstraße 2007 bereits 47 Überschreitungstage registrierte, stehen Fahrverbote nach Angaben von Stadtsprecher Peter Lewandowski nicht auf der Agenda. "Die Stadt arbeitet fleißig an der Umsetzung ihres Aktionsplanes", erklärt er. Das Problem sei die fehlende Umgehungsstraße, so Lewandowski. "Bis die gebaut ist, versuchen wir es mit technischen Maßnahmen." So sei ein Verkehrsleitsystem installiert worden, um die Grünphasen der Ampeln effektiver zu machen. Und wenn das wie in Dortmund nicht aussreicht? "Fahrverbote, lassen sich doch gar nicht durchsetzen", sagt Lewandowski.

Tatsächlich scheinen die Autofahrer bislang nicht so recht mitzumachen: Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind seit Jahresbeginn erst 250.000 Diesel-Pkw mit Partikelfilter nachgerüstet. Und davon auch noch viele mit einem Billigsysteme von BOSAL oder GAT Eurokat, die bei einer Bewertung des TÜV Süd durchfielen. "Die Systeme von Bosal und GAT Eurokat erfüllen nicht die gesetzlich festgelegten Partikelgrenzwerte, die zum Erreichen der Partikelminderungsstufe PM 2 vorgeschrieben sind", so die Prüfer.

"Die Debatte über Ausnahmen für praktisch alle Altfahrzeuge hat offensichtlich dazu geführt, dass viele irrtümlich glauben, um Fahrverbote herumkommen zu können", meint DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Zur Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte müssten die Kommunen deshalb sehr gezielt Dieselfahrzeuge mit hohen Rußpartikel-Emissionen stoppen. Die DUH will "unsinnige Ausnahmen von den Fahrverboten ansonsten mit Musterklagenkurzfristig aufheben lassen.

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2 Kommentare

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  • EW
    Eberhard Weilke

    Wann realisiert auch die TAZ, dass der Feinstaubausstoß durch PKW-Motoren nur einen ganz geringen Anteil an der gesamten Feinstaubbelastung hat? Dass Dieselpartikelfilter im Stadtverkehr den Verbrauch und (damit auch den gefürchteten CO2-Ausstoß) um 10 - 30 % erhöhen? Wann realisiert die TAZ, dass hier technisch zweifelhafte Lösungen auf den Markt gebracht werden, die den Partikularinteressen Einzelner dienen, deren Auswirkungen auf den Umweltschutz jedoch unterhalb der Wahrnehmungsgrenze liegen?

     

    Es ist irre, wie gerade die TAZ akzeptiert, dass die Politik Entscheidungen trifft, die massiv in das Leben der Bürger eingreift, ohne dass die Allgemeinheit auch nur den Hauch von Nutzen sieht.

  • CF
    Cornelia Fleschke

    Wir düsen noch immer mit unserer Dreckschleuder von Wohnmobil herum (Mercedes 814 D mit 6,6t). Bisher ist der Rußfilter nicht lieferbar. Dafür wurde die Steuer rückwirkend ab Januar 2006 (!) mehr als verdoppelt (von 240 auf 470 Euro). Der Bescheid kam passend am ersten Ferientag, so dass nach Rückkehr die Widerspruchsfrist abgelaufen war und sich das Finanzamt dank Einzugsermächtigung 1,5 Jahre rückwirkend und ein Jahr im voraus bediente.

    Fazit: es geht dem Staat um's Geld, nicht um saubere Luft!