die wahrheit: Neues aus Neuseeland

Der wilde, wilde Westen: Der linksseitige Landstrich der Südinsel - von den Ostküstenbewohnern nur "the coast" genannt - ist der Gegenentwurf der Chardonnay-Gesellschaft.

Wenn ich Gummistiefel, Essensvorräte, Buschmesser und Insektenspray in den Kofferraum packe, darf man dreimal raten, wohin es geht. Garantiert nicht zum Skifahren oder auf einen Segeltörn. Und ganz, ganz sicher nicht zum Jahrestreffen tongaischer Exildichter. Mein Urlaubsgepäck lässt nur einen Rückschluss zu, der Unkultiviertheit in höchstem Maße verrät: Westküste, wir kommen!

Der linksseitige Landstrich der Südinsel - von den Ostküstenbewohnern nur "the coast" genannt - ist der Gegenentwurf zur Chardonnay-Gesellschaft kiwianischer Möchtegern-Toskaner. Die Westküste ist all das, wofür sich Neuseeland seit jeher geschämt hat, und dafür liebe ich sie: ungehobelt, rückständig, rebellisch. In Auckland hält man "die Küste" für primitiv. Im Gegenzug heißt der Großstädter nur Jafa: "Just Another Fucking Aucklander".

Kommt man nach Westport, wo die meisten Bewohner von Sozialhilfe leben, die restlichen vom Kohleabbau und alle zusammen vom illegalen Marihuana-Anbau, fällt einem zuerst die Dichte an Pubs auf. Danach fällt einem nichts mehr auf, denn es gibt kaum ein unspektakuläreres Aufgebot an trostlosen Straßen und Physiognomien, die einem limitierten Gen-Pool entstammen, als in dem 5.000-Seelen-Städtchen zwischen Brandung und Regenwald. Standardkluft sind Flanellhemd, Vo-ku-hi-la-Frisur, Schnäuzer und Gummistiefel, denn wenn es regnet, dann richtig.

In einem Tal namens "Happy Valley" harren seit Jahren Öko-Aktivisten in Zelten aus, um eine Schneckenart zu schützen, die von einer Minengesellschaft bedroht ist. Da die Westküstler aber Anarchisten sind und engagierte Grüne fast noch mehr hassen als Jafas, sind gern mal Reifen zerstochen, wenn die Schneckenschützer nach ihren Talbesetzungen zurück nach Westport kehren. Hart ist die Natur, und hart sind alle, die in ihr leben.

Falsche Sentimentalität für Flora und Fauna liegt dem Coaster nicht, denn seine Vorfahren waren Goldgräber, nicht Botaniker. Natur ist daher etwas, was man schießen, fischen, abholzen oder überfahren kann. Ganz oben auf der Liste der Feinde steht - neben der Naturschutzbehörde - das Opossum. Als "heruntergekommenste Touristen-Attraktion" hat der Reiseführer "Lonely Planet" das Minimuseum in Pukekura geadelt. Einwohnerzahl: 2. Dort wird dem Besucher, wenn er sich durch die Schwärme von Sandfliegen gekämpft hat, ein tristes Sammelsurium der pelzigen Hassobjekte präsentiert. Die Kneipe gegenüber - "rustikal" ist in dem Fall geschmeichelt - kredenzt von der Straße Zusammengekratztes wie "Opossum im Scheinwerferlicht". Weiter nördlich, in Hokitika, servieren sie beim jährlichen Fresstreff namens "Wild Foods Festival" gegrillte Larven und rohe Fischaugen.

Brian Connelly, Parlamentsabgeordneter für die Westküste und erklärter Redneck, ließ sich im Fernsehen darüber aus, wie sehr er Katzen hasst - eine ähnlich schlimme Landplage wie Opossums. Belustigt gab er zum Besten, wie er einst eine Katze ins Feuer schmiss. Erst als er die Miene seines offensichtlich zivilisierteren Gegenübers sah, warf er ein: "Das Feuer war aber fast ausgegangen." Man muss sie einfach lieben, die Küste.

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kari

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