Ins Wasser gefallen (5): Scharf gegen den Wind

Berlin und Brandenburg bieten viel Platz für Wassertourismus. Vom Paddeln bis zum Charterbootfahren. Heute: Segeln auf dem Wannsee.

Am Rumpf klebt Blut. Als die Persenning heruntergezerrt wird, sind auf dem grauweißen Cockpit des Bootes deutlich ein handtellergroßer und zwei kleinere rotbraune Flecken erkennbar. Von den Nutzern fehlt jede Spur. Das Boot liegt am Ufer des Wannsees, jede Person kann es ausleihen, sofern sie einen Segelschein und eine Ausleihberechtigung hat. Beides kann man hier im Wassersportzentrum der Freien Universität (FU) erwerben.

Das Wassersportzentrum der Freien Universität (FU) findet sich am Badeweg 3 in der Nähe des S-Bahnhof Nikolassee. Die Ausleihe ist für maximal 4 Stunden möglich. Eine 10er-Karte für Studentenkostet 140 Euro, für Externe 160 Euro. Mo.-Fr. ab 13 Uhr, Sa/So 9 bis 19 Uhr. Die Saison dauert bis zum 14. Oktober, Telefon: (0 30) 8 03 41 80

Das Zentrum ist ein Betonbau, der vom Rand des Berliner Forstes in Terrassen abfällt. Im Weltbild des Architekten kamen rollstuhlfahrende Studenten noch nicht vor, bei den FU-Mitarbeitern schon: Es gibt sogar ein behindertengerechtes Segelboot für jene sportlichen Rollstuhlfahrer, die die schmalen steilen Treppchen bis zu den Bootshallen meistern. In den beiden Hallen stehen lange elegante Ruderboote auf schmalen Stegen übereinander, kompakte wendige Kajaks warten an der Wand.

Vor der Halle sitzt Dietmar. So stellt er sich vor, er ist Mitarbeiter des Wassersportzentrums. An der Bürotür hängt auch ein Bild von ihm, falls man ihn auf dem Gelände mal sucht: graue Haare, Brille, Bart. Dietmar zeigt allen, die Boote ausleihen wollen, wo es langgeht. Dort hängen die Schwimmwesten, die ohnmachtssicheren bitte nur für Leute, die das brauchen. "Die sollen uns ja noch ein wenig erhalten bleiben", sagt er in norddeutschem Dialekt und meint die Westen. Für alle, die nicht unter plötzlichen Ohnmachtsanfällen leiden, gibt es Regattawesten. Die sind praktischer, weil sie keine wulstigen Krägen haben, die an den Ohren scheuern.

Die Segelboote warten rechts und links vom Weg, der zum Steg führt. Je nach Seglertyp nimmt man sich ein Boot von der linken oder rechten Wegseite. Wer sich freut, an Bord eines Bootes zu sitzen, das Schaukeln genießt, die Wolken zählt und den vorbeifahrenden Schiffen zuwinken möchte, wendet sich nach rechts, wo Uni-Jollen und Ixylons liegen. Wenn man will, kann man auf ihnen den Wannsee hinaufsegeln in die Havel, an der Pfaueninsel vorbei zum Jungfernsee und weiter bis zum Krampitzer See. Mit den Xylons kann man sogar einen großen Bogen fahren und unter der Glienicker Brücke durchtauchen. Der Mast lässt sich nämlich legen.

Ixylons, erklärt Dietmar, sind als Wanderjollen konzipiert und praktisch für Leute, die Platz brauchen. Sie haben das Schwert nicht in der Mitte. Es ragt senkrecht ins Wasser, damit das Boot nicht seitwärts driftet, sondern geradeaus fährt. Die Ixylon-Jollen haben gleich zwei davon. Das hat den Vorteil, dass man nebeneinander schlafen kann. Auf der linken Wegseite lauern die Visions. Der haifischförmige Bug und das offene Heck verraten das Credo des Bootstyps: lieber schnell und nass segeln als langsam und trocken. Gefährlich sind sie, wie die Blutflecken verraten.

Das Segel wird am Baum befestigt - das ist das Rohr, das waagerecht vom Mast absteht -, das Boot samt Trailer ins Wasser gehievt. Noch das Segel hochziehen und die Fock ausrollen - das kleine Segel vorn - und los gehts.

Der Wind weht mäßig, aber von Westen her kräuselt sich das Wasser dunkel, da naht eine Bö. Sie packt das Boot und legt es auf die Seite. Hurtig hüpfen Steuerfrau und Vorschoter auf die Bordwand, haken die Füße unter die Ausreitgurte und hängen die Oberkörper weit nach hinten. Nun vollführen sie eine Folge hektischer Sit-ups. Kaum haben sie sich herausgelehnt, neigt sich der Mast zu ihrer Seite, beugen sie sich zurück ins Boot, kippelt es in die entgegengesetzte Steillage. Rein - raus, rein - raus, bis der Wind abflaut und Zeit zum Atemholen gewährt. Auf der Steuerbordseite zieht das Strandbad Wannsee vorbei, aha, aber dort naht schon die nächste Bö.

Diesmal ist die Steuerfrau gewappnet. Sie lässt das Boot vom Wind abfallen, so dass er schräg von hinten kommt, fiert das Segel ein wenig auf und wartet. Wieder packt die Bö das Boot und schiebt es diesmal nach vorn. Jetzt sachte am Segel ziehen, das Boot gewinnt an Fahrt, noch ein kleiner Ruck an der Großschot und der Rumpf setzt sich auf die Bugwelle. Plötzlich weicht der Druck aus dem Ruder, nichts kippelt mehr, das Boot schnurrt wie ein Kater und gleitet. Hinter dem Heck reißt die Welle ab, jetzt muss man nur aufpassen, dass die Fahrt nicht abgebremst wird. Durch Fahrgastschiffe etwa, durch die Yachten, Treetboote, Ruderer, Bojen, Enten, Schwäne, Segler, Motorboote, Stege - Stege! Da ist das Boot schon am anderen Ufer, "klar zur Wende" und "Ree". So segelt man hin und her. Wichtig ist nicht, wohin, sondern wie.

Sieben solcher Boote gibt es im Wassersportzentrum, reservieren kann man sie leider nicht. Aber, sagt Dietmar, man kann anrufen und fragen, ob noch eines frei ist. Die Boote seien ganz selten alle ausgebucht. "Nur bei so pille-palle Wetter, wenn kaum ein Lüftchen weht. Dann kommen sie alle."

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