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Rechtsblatt"Junge Freiheit" mügelt sich durch

Machen nur FDP-Leute die Rechtspostille gesellschaftsfähig? Eine Grünen-Politikerin bestreitet wissentliche Autorenschaft für das Blatt.

Grenzen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus verwischen: Stand der "Junge Freiheit" auf der Leipziger Buchmesse Bild: dpa

HAMBURG taz Der Wochenzeitung Junge Freiheit brachte das Interview mit Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse nicht nur Schlagzeilen. In der sächsischen Kleinstadt, wo eine Hetzjagd auf acht Inder stattfand, will das Blatt aus Berlin auch gleich Probe-Abos gewonnen haben. Schon vor dem Interview hatte Chefredakteur Dieter Stein die Übergriffe auf die Inder als einen "Fall" klassifiziert, der "ins hysterische Reizschema einer unkritischen Presse" passe und resümiert: "Welche Verheerungen diese die Menschen einer solchen Kleinstadt verachtende Berichterstattung auslöst, dafür scheint sich niemand unter den Sensibilität heuchelnden Journalisten zu interessieren."

Sachsens FDP hatte Deuses JF-Interview damit gerechtfertigt, dass dort auch andere "honorige Größen" publizieren würden. Weder die Landes- noch Bundespartei finden etwas daran, dass der sächsische FDP-Chef sich in der Zeitung als Autor betätigt - als sei es ein ganz normales Blatt.

Der JF-Experte und SPD-Politiker Stephan Braun sagt: "Die Wochenzeitung ist das Leitorgan der intellektuellen Neuen Rechten, die gezielt versucht, die Grenzen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu verwischen." So schrieben immer wieder Rechtsextreme in dem Blatt, sagt der baden-württembergische Landtagsabgeordnete, der mit seiner Landtagskollegin Ute Vogt gerade eine Analyse zur Jungen Freiheit veröffentlichte. "Einer dieser Autoren ist Alain de Benoist, der im bayrische Verfassungsschutzbericht erwähnt wird."

Unverständlich ist ihm, dass immer wieder Menschen jenseits des Rechtextremismus in der JF als Interviewpartner oder Autoren auftauchen. Die Zeitung nutze sie, um sich als "demokratisch" zu gerieren. Ein alter Vorwurf, der seit der Gründung der JF immer wieder erhoben wird.

Eher neu ist, dass Politiker das Auftreten in der JF mit dem Verweis auf andere Demokraten rechtfertigen. Wie diese Woche der sächsische FDP-Generalsekretär Thorsten Herbst. Er verwies darauf, dass auch Grünen-Politikerin Hiltrud Breyer und BUND-Sprecher Rüdiger Rosenthal in der JF schreiben würden. "In der Jungen Freiheit habe ich nicht wissentlich geschrieben", sagt aber Breyer und fragt sich, ob die Redaktion einfach einen Beitrag aus einer anderen Zeitung ungefragt übernommen hätte. Sie fordert nun "Herrn Herbst auf, diese Behauptung zu unterlassen".

Nicht minder stört sich Rosenthal an diesem Hinweis. "Das ist lange her", sagt er - und betont, danach nie wieder für die JF geschrieben zu haben. Im September 2000 hatte er sich in der Rubrik "Pro & Contra" für die Ökosteuer ausgesprochen.

Jahrelang prozessierte die Junge Freiheit, um nicht in Verfassungsschutzberichten aufzutauchen. Mit Erfolg. Ihrer politische Intention blieb die Zeitung mit rund 11.500 Abonnenten dennoch treu. Ihre Dauerthemen sind die nationale Identität, die eine von Achtundsechzigern geprägte Vergangenheitspolitik beschädigt habe, und der Demutskonservatismus, der Volk und Vaterland nicht minder gefährde.

Das strategische Konzept formulierte Stein 1996 angelehnt an den neurechten Theoretiker Karlheinz Weißmann: "Worauf es ankommt, ist zunächst die Besetzung von Feldern im vorpolitischen Raum, nur eine vitale Subkultur garantiert längerfristig die Durchsetzung eigener Zielvorstellungen."

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9 Kommentare

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  • CH
    Carsten Hermann

    Die JF ist eine handwerklich gut gemachte Zeitung in der man auch mal Dinge und Ansichten lesen kann, die sonst nirgendwo zu finden sind. Diese Zeitung hat in der deutschen Presselandschaft auf jeden Fall eine Daseinsberechtigung, da es in Deutschland ja offiziell Meinungs-, und Pressefreiheit gibt. Die JF-Autoren haben jedoch nicht die vorrauseilende Schere im Kopf wie dies bei den gängigen Zeitungen und Zeitschriften der Fall ist. Man ist noch lange kein Verfassungsfeind nur weil man eine Sicht vertritt, die von der Deutungshoheit der sogenannten politisch korrekten Presse abweicht. Das die linken und linksextremistischen Meinungsmacher deswegen diese Zeitung am liebsten verbieten würden ist schon klar. Stellt sich nur die Frage nach der Verfassungstreue dieser Leute. Die Leute, die die JF bekämpfen brauchen sich keine Sorgen zu machen. Es ist den 68ern gelungen Ihre Sicht der Dinge in die Köpfe der Menschen zu pflanzen und die meisten Menschen nehmen diese Manipulation auch einfach hin, weil Sie dabei nicht das Unbehagen spüren, dass am Anfang allen selbsständigen Denkens steht. Sie suchen nicht nach Büchern und anderen Publikationen die zum eigenen Denken anregen. Die JF tut dies jedoch und deshalb wird Sie von den Mainstreamjournalisten bekämpft. Diese wollen das selbstständige, kritische Denken endgültig eleminieren und Ihre Sicht der Dingen jedem aufzwingen.

  • RB
    Ralph Berger

    Ihren Kommentar hier eingeben: zu @Rosa: Die "Junge Freiheit" versteht sich als nationalkonservativ - und keineswegs als nationalsozialistisch. Im Gegenteil: Die vielen Artikel zum 20. Juli 1944 zum Verschwörerkreis um von Stauffenberg lassen eine kritische Haltung zu Hitlerismus und Nationalsozialismus verstehen. Gleichwohl wird auf simple schwarz-weiß Malerei verzichtet. Genauso wenig wie man Sozialdemokraten oder gemäßigte Sozialisten gleich als "Stalinisten" oder "Bolschewisten" beschimpft - sollte man diese Differenzierung auch auf der "Gegenseite" anerkennen - sprich: nicht alles was "rechts von der Mitte steht" ist gleich mit Rechtsextremismus gleichzusetzen. Auch denke ich kaum, dass die "Junge Freiheit" mit ihrer eher intellektuellen Ausrichtung ausgerechnet "leute mit geringerem iq bzw bildungstand" (Zitierung) anspricht. Zum Thema "Wehrmacht und Tapferkeit" noch kurz: Man möge sich hier einfach die Quellen und Aussagen der einstigen Kriegsgegner zu Rate ziehen. Dort erhält man am objektivsten ein Bild über die militärischen Leistungen der Wehrmacht...

     

    An die liebe TAZ-Redaktion habe ich auch noch eine Frage: Wo genau sehen Sie einen Kausal-Zusammenhang zwischen den von ihnen geschilderten "Hetzjagd" und der Publikation "Junge Freiheit"? Ich habe hier noch keinen einzigen Artikel finden können wo zu Gewalt gegenüber Fremden aufgerufen worden wäre. Eher ist es so, dass die ?JF? über Taten ausländischer Banden in Deutschland berichtet (siehe hierzu exemplarisch den Bericht "Leipziger Innenstadt wird zum Schlachtfeld", S. 5, Ausgabe vom 21.03.08) die in der "normalen" Presse eher totgeschwiegen wird. Auch kann ich leider nicht ersehen, inwieweit die JF "undemokratisch" sein soll. Oder wollen Sie etwa zurück zur ?Einheitsmeinung??

  • R
    rosa

    naja, andere meinung ok, aber die wehrmacht als tapfer zu bezeichnen oder sogenannte linke gefährlicher einschätzen als nazis find ich dann schon ein bisschen happig. und das leute mit geringerem iq bzw bildungstand darauf reinfallen nehm ich doch stark an! darauf bauen doch diese "rechnten" die dann unverhohlen in der s bahn station singen: "adolf war ein guter mann.." und die leute, die durch solche zeitungen, wie auch natürlich durch die bild, auch nichts dagegen haben, weil addi hat ja die autobahn gebaut und arbeit besorgt. stand ja in dieser tollen zeitung.

     

    was wir brauchen ist ne gute bildungspolitik, dann kann uns so n brauner dreck gestohlen bleiben, wann dann jeder "normale" mensch merkt was für n schrott die da verzapfen. und die hardcore steineschmeisser antifas können dann auch gemütlich ihr bier trinke, wanns dann keine braunen mehr gibt, vor den man nachts angst haben muss. und dass leider nicht mehr nur in vororten!

  • GF
    Gert Friedrich

    Man sollte lieber die Personen kritisieren, die der unsäglichen BILD ein Interview geben.

    Die "Junge Freiheit" ist hingegen ein interessantes Blatt wie auch "Freitag" oder "Jungle World" .

  • AF
    Andreas Frey

    Die JF hat genauso ihre Berechtigung wie links ausgerichtete Zeitungen.

    Ich lese diese Zeitschrift deswegen so gern, da man Denkanstöße findet, die man in dem Einheitsbrei der PC-Zeitungen leider nicht mehr lesen kann/darf.

  • R
    R.Theurer

    Pressefreiheit ist wohl nur ok wenn die zeitung möglichst weit links steht. Wenn die taz sich jemals so intensiv und ablehnend mit z.B. dem neuen deitschland befasst, also einer zeitung die exemplarisch ist für diktatur, verfolgung andersdenkender bis hin folter und und und, erst dann glaube ich der taz, daß es um demokratie und menschenrechte und freiheit geht.

    ansonsten glaube ich gehts der taz und vielen anderen linken medien die die junge freiheit su vehement ablehnen einfach nur darum unliebsame meinungen zu unterdrücken.

  • Q
    Querdenker

    Im Gegensatz zu vermutlich vielen Kritikern lese ich die Junge Freiheit hin und wieder, wobei ich die Meinung der meisten Artikel nicht teile. Trotzdem habe ich in dieser Zeitung schon wichtige Anregungen gefunden, auch um meinen eigenen Standpunkt kritisch zu überprüfen.

    Auch diese Zeitung hat im Sinne von Rosa Luxemburg ihre Berechtigung. Selbst wenn die Zeitung vom Verfassungsschutz beobachtet wird, so sollte doch niemand eine Beobachtung mit einem Verbot verwechseln.

  • M
    Marco

    Rainer, mit mehr Linken Ihres Schlages wäre es um Freiheit und Offenheit in unsem Land wohl besser bestellt.

     

    Marco

  • RW
    Rainer Wagener

    Was für ein Skandal, es gibt konservative Zeitungen. Und die machen auch noch Interviews; wer hätte das gedacht.

     

    Das stört doch tatsächlich das schlichte anspruchslose Lagerdenken, in dem die Kriegstreiber von 'Jungle World' und 'Konkret' trotz allem irgendwie zu 'uns' gehören, weil sie halt irgendwo auch 'links' sind, was immer das auch heißen mag.

     

    Neben dem üblichen reaktionären Käse habe ich in der 'Jungen Freiheit' schon ganz interessante Beiträge von Peter Scholl Latour und ein sehr schönes Interview mit Egon Bahr gelesen.

     

    Dagegen empfinde ich das postmarxistische Geschwurbel in eingangs erwähnten zeitschriften, ob denn nun beispielsweise ein atomarer Angriff auf Teheran den Fortschritt und das Weltenglück befördere als ausgesprochen ekelerregend.

     

    Vielleicht sollte man einfach dem Leser zutrauen, dass er sich selbst ein Urteil bilden kann, was guter Journalismus ist.

     

    Zur Verbreitung desselben seitens der 'taz' wäre es auch hilfreich, die deutsche Ausgabe von 'lemonde diplomatique' vollständig und ohne Auslassungen zu publizieren, anstatt in wohlfeiles moralisierendes Lagergejammer über sog. 'Rechtspostillen' zu verfallen.

     

    Rainer Wagener, Heidelberg