piwik no script img

Frauen-Fußball-WMBloß keine Schuhküsse

Im Gruppenspiel gegen England werden die deutschen Fußballerinnen vor allem die Angreiferin Kelly Smith gut bewachen müssen.

Der goldene Tor-Schuh und Spielerin Kelly Smith (r). Bild: dpa

Schanghai taz Die deutsche Abwehr hat sich in den vergangenen Tagen intensiv mit Kelly Smith auseinandergesetzt, der englischen Angreiferin. Im Spiel gegen Japan traf die 28-Jährige zweimal, weit auffälliger war jedoch ihr Jubel nach den Toren: Sie zog ihre Schuhe aus, hielt einen Schlappen wie eine Reliquie in die Luft und küsste ihn. Die deutsche Innenverteidigerin Ariane Hingst hat keinen Gefallen an der Schuhbusselei gefunden. "Ich fands ziemlich schlecht, den Torjubel so allein zu zelebrieren. Aber gegen uns wird sie schon nicht treffen", sagt sie vorm zweiten Gruppenspiel der DFB-Auswahl im Hongkou-Stadion von Schanghai (14 Uhr, ARD und Eurosport). Neben Hingst wird heute nicht wie sonst Sandra Minnert verteidigen, ihre Oberschenkelmuskulatur ist verhärtet.

Gegen wen sie in der deutschen Defensive auch immer antreten wird, Kelly Smith prägt das Spiel der Engländerinnen. "Wir wissen, dass Kelly alle Qualitäten besitzt, um ein Spiel im Alleingang entscheiden zu können. Sie ist eine echte Ballzauberin", sagt ihre Mitspielerin Faye White. "Sie ist eine außergewöhnliche Spielerin, die sich auch gegen die Besten der Welt behaupten kann", sagt Torhüterin Rachel Brown. Kelly Smith steht exemplarisch für den Aufschwung des englischen Frauenfußballs, der eine lange Tradition hat. Schließlich fanden bereits im 19. Jahrhundert Frauenfußballspiele auf der Insel statt. Doch erst seit der Europameisterschaft 2005 erlebt der englische Frauenfußball eine kleine Renaissance.

Smith spielt beim FC Arsenal. Das ist nicht nur bei den Männern eine gute Adresse. Die Frauenabteilung hat in diesem Jahr den Uefa-Pokal gegen das schwedische Team Umea IK gewonnen. Dementsprechend spielen neun Arsenal-Kickerinnen im Nationalteam, sieben standen gegen Japan in der Startelf. Die englische Auswahl vertraut also nicht nur Yolanda the Panda, das Teammaskottchen, sondern auch einer eingespielten Formation aus London. Das taktische System ähnelt der deutschen Aufstellung (4-4-2), doch Hingst ist davon überzeugt, dass das Team von Bundestrainerin Silvia Neid besser agieren wird. "Ich hoffe, dass England ständig in der Rückwärtsbewegung ist, weil wir unser Offensivspiel aufziehen", sagt Hingst. Gegen Argentinien war die Abwehrspielerin nicht einmal annähernd ausgelastet. Im deutschen Team ist man sich darüber einig, dass das Argentinien-Spiel wenig Rückschlüsse auf die kommenden Spiele zulässt. So sagt denn auch Ariane Hingst: "Das war nicht das Auftaktmatch, das man sich wünschen würde." Die Weltmeisterschaft beginnt für die deutsche Auswahl also erst am Freitag so richtig. Immerhin waren die Engländerinnen vom Kantersieg angetan: "Als wir das Spiel der Deutschen im Fernsehen gesehen haben, waren wir wirklich beeindruckt, aber im Januar haben wir gegen sie ein 0:0 erreicht. Unser nächstes Ziel ist es, auch jetzt zu bestehen", sagt Torhüterin Brown.

Das englische Team hat vor allem deshalb Fortschritte gemacht, weil der Fußballverband im September 2001 ein "National Player Development Centre" an der Loughborough-Universität gegründet hat - unter der Leitung von Nationaltrainerin Hope Powell. Auch zwei Colleges in der Nähe sind mit eingeschlossen ins Förderprogramm, das mit einer deutschen Eliteschule des Sports vergleichbar ist, erweitert um den universitären Sektor. Talente zwischen 16 und 21 Jahren erhalten vom Fußballverband ein Stipendium, sie leben auf dem Campus, spielen Fußball und studieren. Kelly Smith hat es auch ohne diese spezielle Begabtenförderung geschafft. Als einzige Engländerin spielte sie in der US-Profiliga Wusa, die 2003 den Spielbetrieb einstellte. Experten sehen in ihr die beste Stürmerin des WM-Turniers. Es ist also mit weiteren Schuhküssen zu rechnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!