Arbeitskampf II: Gleiche Schule, gleiche Arbeit, weniger Geld
An öffentlichen Schulen arbeiten verbeamtete und angestellte Lehrer nebeneinander. Ihre Gehälter unterscheiden sich beträchtlich.
Ungewöhnliche Ruhe herrscht am frühen Mittwochmorgen vor der Aziz-Nesin-Grundschule in Kreuzberg. Sehr dezente Hinweisschilder klären über die Ursache auf: "Warnstreik" steht auf schmalen, in die Fenster geklebten Papierstreifen. Die gähnende Leere dahinter täuscht: Jedenfalls die verbeamteten Lehrkräfte waren bereits zur ersten Stunde zur Arbeit erschienen. Mangels Lernender konnten sich die Lehrenden aber statt mit Unterrichten mit Aufräumarbeiten oder Vorbereitungen befassen. Nur wenige Kinder seien vor elf Uhr zur Schule gekommen, berichtet Christel Kottmann-Mentz, die Leiterin der Grundschule: "Die Solidarität der Eltern ist klasse!"
Sie hat allen Grund, sich über die Unterstützung für den Warnstreik der Angestellten des öffentlichen Dienstes zu freuen. Denn von den 37 Lehrkräften ihres Kollegiums hat nur noch ein Drittel Beamtenstatus. Die übrigen sind angestellt - zu unterschiedlichen Bedingungen.
An der Europa-Grundschule ist die "Klassengesellschaft" unter den MitarbeiterInnen noch stärker ausgeprägt als an anderen Schulen. Neben der abnehmenden Gruppe der LehrerInnen mit Beamtenstatus, die überwiegend der älteren Generation angehören und Privilegien wie Unkündbarkeit und sichere Pensionen mit Streikverbot und "Treuepflicht" bezahlen, gibt es die wachsende Gruppe angestellter Lehrkräfte. Für sie gelten wiederum unterschiedliche Bedingungen - je nachdem, ob sie vor oder nach 2004 angestellt wurden. Damals verabschiedete sich Berlin aus dem Tarifvertrag der Länder: Die später Eingestiegenen werden seither schlechter als die Angestellten des öffentlichen Dienstes in anderen Bundesländern bezahlt.
Die einkommensmäßig vierte Klasse bildet eine Gruppe, die eine Besonderheit der Europa-Schulen darstellt: die so genannten muttersprachlichen LehrerInnen. Da sie Ausbildung und Examen im Herkunftsland absolviert haben, werden sie in Tarifgruppe 4 eingestuft. Angestellte LehrerInnen mit deutschem Staatsexamen werden dagegen nach Tarifgruppe 3 bezahlt. Das führt zu Einkommensunterschieden bis zu 700 Euro netto monatlich allein unter den angestellten LehrerInnen. Gegenüber den Beamten kommen noch einmal rund 500 Euro Differenz pro Monat dazu - bei gleicher Arbeit. Für Schulleiterin Kottmann-Mentz ist dies "schon lange ein Skandal".
Knapp ein Sechstel der zirka 30.000 Berliner LehrerInnen sind bereits Angestellte - Tendenz steigend. Zunehmend werden auch befristete Verträge abgeschlossen. "Allein heute haben wir im Personalrat über acht neue befristete Angestelltenverträge verhandelt", sagt Peter Sinram von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Auch die Gewerkschaft prangert vor allem die Gehaltsungleichheiten und den Ausstieg des Landes Berlin aus den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes an.
Der Abschaffung des Beamtenstatus können die Gewerkschafter dagegen sogar einiges abgewinnen: Denn mit Angestellten lässt sich ganz anders tarifpolitischer Druck ausüben. Anders als Beamte dürfen Angestellte beispielsweise streiken - auch die im öffentlichen Dienst.
"Unsere Forderung lautet: Gleiches Geld für gleiche Arbeit", sagt GEW-Sprecher Sinram. Die Erwartung, dass "aus der hässlichen Raupe Angestellter automatisch ein wunderschöner Beamtenschmetterling" werde, sei überwunden. Denn die Chance, in Berlin als Lehrer Beamter zu werden, sei heute "gleich null".
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