Museumsführer: Kunst darf alles, auch Spaß machen

"Die schönsten Franzosen aus New York" kann man noch bis Sonntag in der Neuen Nationalgalerie besuchen. Am besten in Begleitung von Henri, dem Audioguide für Kinder - und Erwachsene, die sich trauen, die Tonspur zu wechseln

Noch hängen sie: Die schönen Franzosen in der Nationalgalerie Bild: AP

Eine junge Frau umrundet Degas Bronzeskulptur "Aktstudie für die 14-jährige Tänzerin". Sie trägt Kopfhörer und scheint sehr vertieft in ihre Beobachtung. Plötzlich bricht sie in schallendes Gelächter aus und schaut gleich darauf leicht errötet zu Boden. Viele Menschen haben sich vorwurfsvoll zu ihr umgedreht. In einem Museum lacht man nicht - schon gar nicht, wenn der Geist der hohen Kunst durch alle Räume weht. Schließlich sind in der Neuen Nationalgalerie "Die schönsten Franzosen" aus dem Metropolitan Museum of Art in New York zu Gast - noch bis Sonntagnacht.

Die Ausstellung "Die schönsten Franzosen kommen aus New York" verlängert zum Finale ihre Öffnungszeiten bis in die Nacht. Am Freitag können die Besucher von 10 bis 2 Uhr die Meisterwerke aus dem Metropolitan Museum of Art besichtigen. Bei der "Nuit Blanche", der "Weißen Nacht", ist die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie von Samstag 10 Uhr morgens bis Sonntag 22 Uhr abends durchgehend geöffnet - dann endet sie. Das Finale der Schau wird mit einem großen Feuerwerk auf der Terrasse gefeiert.

Seit dem 1. Juli sahen mehr als 600.000 Menschen die Impressionisten-Ausstellung.

Es ist Henri, der die junge Frau so zum Lachen gebracht hat. Und der ist nicht etwa ihr imaginärer Freund, sondern der Schauspieler Thomas Hollaender, der Kinder mit gekonnt französischem Akzent durch die Audio-Tour begleitet - und Erwachsene, die sich trauen, an dem kleinen Audioführungsgerät die Tonspur zu wechseln.

Von den 140 Werken wählt Henri 15 aus. Ganz wie in der Audioführung für Große führt Henri seine Zuhörer durch die französische Malerei des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts: von der Klassik über die Romantik, den Realismus und Impressionismus bis hin zur Moderne. Die beiden Führungen unterscheiden sich jedoch ganz wesentlich. Während die Erwachsenen sich mit Stilrichtungen, Pinselführung und Künstlerviten plagen müssen, zeigt Henri den Kindern einen ganz anderen Zugang zur Kunst - über die Geschichte, die das jeweilige Bild erzählt.

Der Audioguide für Kinder regt die Fantasie an und lenkt den Blick auf die Details: etwa die zerbrochene Fensterscheibe im Bild "Zeichnende junge Frau" von Marie-Denise Villers. Anmoderiert von Henri hören wir die Künstlerin sprechen. Eigentlich soll sie auf ihren kleinen Bruder aufpassen, doch lieber möchte sie zeichnen. Da hat der kleine Tollpatsch die Scheibe schon mit einem Ball zerbrochen. Auf diese Art verbindet die Audioführung die Geschichte der Bilder mit der Lebenswelt der Kinder.

"Man muss Kinder in ihrer Erfahrungswelt abholen", sagt Eva Wesemann, künstlerische Leiterin der Produktionsfirma des Audioguides Antenna Audio. "Das veranlasst sie dazu, ganz genau hinzuschauen."

Ein gutes Beispiel dafür ist auch das Bild des kleinen Jean Monet, gemalt von seinem berühmten Vater Claude Monet. Henri nimmt uns mit in den Garten der Familie. Dort hören wir Vater und Sohn miteinander reden. Monet ist so stolz auf seinen kleinen Jungen, dass er ihn ständig malen will. Der hat aber keine Lust, so lange still auf seinem Schaukelpferd zu sitzen. Lieber will er herumtollen und Süßigkeiten essen. Schon ist er davongelaufen, um sich bei seiner Mama ein Bonbon zu mopsen. Deswegen wird das unfertige Hinterteil des Pferdes kurzerhand mit einer Decke übermalt.

Ganz nebenbei erfahren wir von Henri dann doch noch einiges über die Künstler. Über Degas, den Schöpfer der kleinen Ballerina, lernen wir zum Beispiel, dass er so oft Tänzerinnen darstellte, weil er fand, dass man an ihnen besonders gut Bewegungen zeigen kann. Mit Pferden habe er das auch oft versucht, aber das sei viel schwerer, weil sie sich so wild und schnell bewegen. Daher sehe man von den Pferden auf Degas Bildern oft nur den Popo des Tiers - es war einfach zu schnell weg. Nachdem Henri mit den Zuhörern einmal um die Tänzerin herumgegangen ist, stellt er überrascht fest, dass sie unbekleidet ist: "Sie ist ganz nackelisch!" Verschämt erklärt die kleine Ballerina, dass Degas sie nackt dargestellt habe, weil man so ihre Bewegung besser sehen könne. Darauf sei es Degas ja nun mal angekommen.

Nach 15 Stationen und einem Rundgang von gut 45 Minuten verabschiedet sich Henri - und lädt seine Zuhörer ein, bald mal wieder ein Museum zu besuchen. Zum Kunstkenner wird man durch Henris Führung zwar nicht. Aber offenbar konnte Henri bei vielen Besuchern der Ausstellung die Freude an der Kunst wecken. Bei seinen Schöpfern von Antenna Audio geht jedenfalls täglich Fanpost für ihn ein.

Fast 600.000 Menschen haben die Ausstellung bisher gesehen. Auch die teils zweistündigen Wartezeiten vor dem Einlass haben dem Hype um die Franzosen offenbar keinen Abbruch getan. Für das letzte Wochenende wurden die Öffnungszeiten noch einmal verlängert. Am Freitag können Besucher bis 2 Uhr nachts die Meisterwerke aus New York betrachten. Von Samstag 10 Uhr bis Sonntagabend 22 Uhr ist durchgehend geöffnet. Danach werden die Franzosen mit einem Feuerwerk verabschiedet - standesgemäß in Blau-Weiß-Rot.

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