Arte-Filmreihe: Democracy now!

Kann das Fernsehen der Motor der Demokratie sein? Am Montag startet mit "Taxi zur Hölle" (Arte, 20.40 Uhr) in 30 Ländern ein einzigartiges TV-Projekt.

Verhaftete Afghanen vor dem Abtransport zur Basis al-Qaim Bild: ZDF/Jehad Nga/Corbis

Auf den Bildschirm: nackte Männer mit Säcken über den Köpfen, blutverschmierte Leiber und feixende SoldatInnen in Tarnfarben, die vor den aufgeschichteten Toten posen. Bilder, die man kennt, 2004, Folterungen in USA-Militärgefängnissen. Schockierend damals, schockierend noch immer, aber eben bekannt. Und doch ist das, was Alex Gibney in "Taxi zur Hölle" zeigt, neu. Beklemmender in seiner Dichte.

Der Oscar-nominierte Regisseur erzählt die Geschichte des afghanischen Taxifahrers Dilawar, der eines Nachmittags, offenbar zufällig, vom US-Militär festgenommen wird und fünf Tage später in seiner Gefängniszelle stirbt. Er zeichnet nach, wie Entscheidungen der Bush-Administration direkt zu Dilawars Tod führen und Folter als legitime Verhörmethode etablieren. Vor allem aber hält er die Kamera auf die Täter, die erstaunlich freimütig über ihre Gräueltaten sprechen. Nächstes Mal würde er warten, bis er etwas Schriftliches hat, sagt der eine. Wenn ich nicht mitgemacht hätte, hätte ich meine Kameraden im Stich gelassen, rechtfertigt sich ein anderer.

"Taxi zur Hölle" ist Auftakt von "Demokratie für alle?": Zehn Dokumentar- und zwei Dutzend Kurzfilme von unabhängigen Filmemachern werden ab heute zeitgleich in mehr als 30 Ländern ausgestrahlt - in Europa, aber auch beim arabischen Kanal al-Arabia, in Indien, Mexiko und Taiwan. Zusätzlich soll auf www.whydemocracy.net eine weltumspannende Debatte über Demokratie angestoßen werden.

Die Regisseure selbst bearbeiten das Thema auf unterschiedlichste Weise. Während "Taxi zur Hölle" eine Gesellschaft beleuchtet, die geradezu die Erfindung der freiheitlichen Werte für sich verbucht, ist Demokratie in China ein Fremdwort. Ganz wörtlich. Die Drittklässler in "Wählt mich" haben den Begriff "Demokratie" noch nie gehört. Aufgewachsen in einem Regime, das Wahlen nur aus Telefonvotings für die chinesische Variante von "Deutschland sucht den Superstar" kennt, machen sie ihre ersten Gehversuche im Kampf um das Amt des Klassensprechers.

Derartigen Illusionen schiebt Mikhail Morozov, Protagonist des russischen Beitrags "Für Gott, Zar und Vaterland", derweil gleich einen Riegel vor. Denn der Flecken Durakowo ist sein Dorf. Außer ihm, einem wohlgenährten Schwergewicht in Strickpullover und silbernem Kreuz um den Stiernacken, darf niemand die Stimme erheben. Auf seinem Übungsgelände, rund 100 Kilometer von Moskau entfernt, werden Menschen wieder auf den richtigen Weg gebracht. Den Weg des Glaubens.

Auf die Frage, wie er es mit der Demokratie halte, hat er eine klare Antwort: Satan setzte den Menschen den Floh vom Paradies auf Erden ins Ohr. Doch Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, diese Flausen, von denen den Jungen die Ohren klingeln, das gebe es nur vor Gott. Russland brauche eine Hierarchie, eben Gott, Zar, Vaterland.

Sechzehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ist der Krieg in vollem Gange. In Durakowo rechnet man jede Sekunde damit, dass der Feind zuschlägt. Der Feind, das ist die Nato, das ist Europa, das sich einbildet, die Weisheit der Welt für sich gepachtet zu haben, und die Russen ständig kritisiert. Der größte Feind ist die Demokratie. Aber die aus dem Westen, "die werden was erleben, wenn sie herkommen", sagt einer von Mikhails Freunden, das Gewehr im Anschlag. "Der Feind wird zerschlagen, und der Sieg wird uns gehören." Dann fassen sie sich an den Händen und beten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.