Arbeitslosengeld-I-Streit: Die gemischten Gefühle der SPD

Müntefering kriegt im Bundestag viel Beifall, aber wenig Unterstützung gegen Beck.

So selbstbewusst spricht keiner, der an Rücktritt denkt: Franz Müntefering Bild: dpa

BERLIN taz Sie sind alle da und sie sind nett zu ihm. Die Kanzlerin begrüßt Franz Müntefering besonders freundlich. Auch der Außenminister beugt sich demonstrativ hinüber und flüstert ihm etwas ins Ohr, eine Aufmunterung wahrscheinlich. Während seiner Rede applaudieren die Abgeordneten seiner SPD und der Union lauter als sonst. Franz Müntefering, der Arbeitsminister und Vizekanzler, scheint an diesem Donnerstag im Bundestag viele Freunde zu haben. Die braucht er auch.

Es geht um den Arbeitsmarkt, um seine Bilanz als Minister. Aber vor allem geht es um Münteferings Zukunft. Nach seinem Krach mit SPD-Chef Kurt Beck muss der Vizekanzler beweisen, dass er noch Rückhalt hat. Dass die Rücktrittsgerüchte Quatsch sind. Dass er weitermachen will und kann. Blickt man sich im Saal um, sollte das kein Problem sein: Die Kollegen aus den Koalitionsparteien klatschen, als er an den deutlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen erinnert, sie lachen erleichtert über Münteferings Witze und sie jubeln, als er am Ende sagt, eines Tages, wenn es die große Koalition einmal nicht mehr gebe, würden sich viele umsehen und über die Bilanz dieser Regierung sagen: "Da kannste echt nicht meckern."

So selbstbewusst spricht keiner, der an Rücktritt denkt. So wird keiner gefeiert, der im Abseits steht. Und doch bleibt das Gefühl, dass hier nur der Schein gewahrt wird. Wenn es darauf ankommt, wenn sich Müntefering mit seinem Nein zum längeren Arbeitslosengeld für Ältere gegen Beck durchsetzen will, muss er alleine kämpfen.

Er hat gute Argumente, aber er ist der einzige wichtige Koalitionspolitiker, der sie vorträgt: Gerade für ältere Arbeitslose habe sich die Lage im letzten Jahr verbessert, sagt Müntefering, warum sollte man also gerade jetzt die Reformen der Agenda 2010 schon wieder ändern?

Mag sein, dass Angela Merkel ähnlich denkt. Höchstwahrscheinlich stimmt auch Peer Steinbrück, der Finanzminister, innerlich zu. Doch sie schweigen. Auch Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister, flüstert nur. Er will ja SPD-Vize werden.

Die Sozialdemokraten bleiben hin- und hergerissen zwischen Müntefering, dem konsequenten Reformverteidiger, und Beck, der soziale Wohltaten verspricht. "Wir tragen die Regierung auf Händen", sagt Fraktionsvize Ludwig Stiegler. "Aber manchmal machen wir eine Pause, dann reden wir mit dem Volk und das sagt uns gelegentlich etwas anderes als die Regierung." Im Beck-Duktus fügt Stiegler noch hinzu: "Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst." Auf wen die SPD hört, entscheidet sich erst auf dem Parteitag in zwei Wochen.

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