Bahn-Streik: So kann das weitergehen
Die Gewerkschaft spricht von Erfolg, die Bahn ist froh, weil es kein großes Chaos gab, und die Kunden wissen sich zu helfen.
BERLIN taz Natürlich stellt die Gewerkschaft der Lokführer ihren Streik vom Freitag als großen Erfolg dar. "Die Bahn hat nichts im Griff", jubilierte der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell. Doch zumindest bis zum Nachmittag konnte von Chaos auf den Bahnhöfen keine Rede sein. Vielerorts war es in den Stationen ungewöhnlich leer. Service-Mitarbeiter verteilten Saft und Kaffee an die Wartenden, die mit einiger Geduld meist doch ans Ziel kamen.
Die meisten Pendler hatte sich darauf eingerichtet, anders zur Arbeit zu gelangen als sonst. Im Ruhrgebiet und rund um Hamburg und München ballten sich noch mehr Autos als üblich auf den Straßen. Auch der Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums Günter Loos hatte den Eindruck, dass die morgendlichen Staus in und um Stuttgart etwas länger gewesen seien als sonst. Doch viele Leute hätten wohl Fahrgemeinschaften gebildet und seien früher aufgebrochen, auf den Straßen sei keine außergewöhnliche Lage entstanden.
Im Streit über die Teilprivatisierung der Bahn hat der Bundesrat am Freitag den Gesetzentwurf der Bundesregierung abgelehnt. Die Länderkammer sprach sich für weitgreifende Änderungen an dem Entwurf aus. Die Länder befürchten, dass die Bahn unter dem Einfluss privater Investoren künftig nur noch in lukrative Fernstrecken investiert und der Regionalverkehr dabei zu kurz kommt. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken sehen die Länder auch Haushaltsrisiken. Mit Blick auf die Bahnstreiks sagte Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU), dies zeige eindringlich, welche Auswirkungen ein Rückzug von Bund und Bahn aus der Fläche hätte. Die Bundesregierung hatte Ende Juli den Gesetzentwurf zur Bahnprivatisierung beschlossen. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. AFP
Auch in den Fernverkehrszügen merkten die Reisenden nichts von der Arbeitsniederlegung. Offenbar scheute es die GDL, überregional wichtige Gleise durch spontan bestreikte Regionalzüge zu blockieren, nachdem ein Arbeitsgericht einen Streik im Fernverkehr in der vorigen Woche für illegal erklärt und hohe Bußen angedroht hatte.
Normalerweise stehen jeden Tag 26.400 Nahverkehrsverbindungen auf dem Fahrplan. Die Bahn geht davon aus, dass am Vormittag etwa die Hälfte der Regionalzüge und S-Bahnen ausfielen. In der ersten Schicht hätten sich etwa 1.500 Lokführer an den Streiks beteiligt, vermeldete DB-Sprecher Achim Stauß. Die GDL hingegen verbreitete auf einer Pressekonferenz, dass 85 Prozent der DB-Regional- und S-Bahn-Züge betroffen gewesen seien und sich 6.000 bis 7.000 Lokführer am Streik beteiligt hätten.
Am meisten Ausfälle gab es in Ostdeutschland. Denn dort ist kaum einer der 8.000 verbeamteten Lokführer beschäftigt, die noch aus alten Bundesbahnzeiten bei der Bahn tätig sind. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 20.000 Lokführer.
In Schleswig-Holstein hingegen fiel wenig aus. Denn dort betreibt die Deutsche Bahn nur noch die Hälfte des Regionalverkehr, die übrigen Strecken sind an andere Betreiber vergeben "Insofern trifft uns die Keule des Streiks sowieso nur zur Hälfte", sagte der Sprecher des Verkehrsministeriums Harald Hase. "Wichtige Linien verkehren planmäßig", konnte Wolfgang Seyb von der Verkehrsservicegesellschaft am Mittag vermelden. Allerdings kam nicht jeder Reisende pünktlich ans Ziel. Auch Busse habe die DB-Regio eingesetzt. Zudem hätten die schnelleren Regional-Express-Züge auch an Bahnhöfen gehalten, durch die sie sonst durchrauschten.
Bahnsprecher Achim Stauß ging davon aus, dass der Streiktag sein Unternehmen mindestens 1 Million Euro gekostet habe. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatte dagegen im Vorfeld prognostiziert, dass der Ausstand die Bahn 7 Millionen Euro kosten und die gesamte Volkswirtschaft mit 25 Millionen Euro belastet würde.
Sollte die DB am Montag kein neues Angebot vorlegen, werde der Streik am Mittwoch fortgesetzt, kündigte Schell an. Über Zeit und Geld lasse er mit sich verhandeln, nicht aber über den eigenständigen Tarifvertrag.
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