Statusverhandlungen: Kosovo rüstet sich für den neuen Krieg
Die Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovos treten auf der Stelle. Und so machen bewaffnete Extremisten sowohl auf serbischer als auch auf albanischer Seite mobil.
Zwar soll am 22. Oktober in Wien weiter über den zukünftigen Status des Kosovo verhandelt werden, doch weder Kosovoalbaner noch Serben sind optimistisch. Die Gespräche am Wochenende in Brüssel unter der Aufsicht der Troika aus EU, USA und Russland brachten keinen Fortschritt. Und so wird die Frage immer dringlicher, was am 10. Dezember geschieht, wenn die Verhandlungen wahrscheinlich ohne Ergebnis enden. Wird dann die Lage außer Kontrolle geraten?
Das fürchten zumindest die Sicherheitsexperten der Eingreiftrupp KFOR und der UN-Mission im Kosovo. Denn an den politischen Rändern in beiden Lagern rühren sich Extremisten, die sich an keine Absprache des friedlichen Dialogs halten wollen und kaum unter Kontrolle zu bekommen sind.
Nur mit größter Kraftanstrengung Belgrads, der KFOR und nach einem dramatischen Aufruf kosovoserbischer Politiker konnte am Wochenende eine militante Demonstration extremistischer Serben im Kosovo verhindert werden. Die "Zar Lazar Garde" hatte gedroht, von Serbien aus in den von Serben besiedelten Nordteil Kosovos einzudringen und die Ausrufung des Notstands zu erzwingen. Es handelt sich dabei um nationalistische Extremisten, unter denen sich viele erfahrene Kämpfer der Jugoslawienkriege der 90er-Jahre befinden sollen. Ihr Führer Hadzi Andrej Milic erklärte am Sonntag, man habe auf die Demonstration verzichtet, doch viele seiner Leute seien in Zivil nach Kosovo eingesickert und würden "die Lage analysieren".
Fast gleichzeitig meldete sich auf kosovoalbanischer Seite die "Albanische Nationalarmee" (ANA) zu Wort. Die für eine Vereinigung aller albanischen Länder kämpfende Untergrundorganisation gab an, sie verfüge über erfahrene Kämpfer nahe der serbischen Grenze und damit nahe oder in den von Serben kontrollierten Gebieten Kosovos. "Krieg ist unvermeidlich", tönte ihr Sprecher Gafurr Adili und sagte im Interview mit "Balkan Insight": "Der einzige Weg, einen Krieg zu vermeiden, ist die internationale Anerkennung der völligen Souveränität des Kosovo."
Als Zentrum dieser militanten Organisation im Kosovo wird vonseiten der UN-Mission die im westlichen Kosovo liegende Stadt Podujevo vermutet. Es gibt einen Videofilm von einer Gruppe von zehn bis zwölf bewaffneten Kämpfern in schwarzen Uniformen und ausgerüstet mit modernen Scharfschützengewehren, die an einer Straße bei Podujevo Autos kontrollierten.
Zwar versuchte die Kosovo-Regierung, die Drohung der Extremisten herunterzuspielen, doch viele Politiker der kosovoalbanischen Seite fürchten den Stichtag 10. Dezember. Wenn dann die Unabhängigkeit nicht verwirklicht würde, könnte die enttäuschte Bevölkerung das Establishment hinwegfegen.
Darauf setzt auch die Bewegung "Selbstbestimmung". Ihr Anführer, der von der UN-Mission und der kosovoalbanischen Justiz nach Monaten der Haft jetzt mit Hausarrest belegte Albin Kurti, hat das kosovoalbanische Establishment schon seit Monaten als "von der internationalen Gemeinschaft korrumpiert" charakterisiert. Der ehemalige Studentenführer ist nach einer fünfjährigen Odyssee durch serbische Gefängnisse und Repression durch die UN-Mission keineswegs ein gebrochener Mann, sondern trotz seiner Jugend ein charismatischer Führer, der auf seine Stunde warten kann. Seine Bewegung stützt sich auf junge Leute, vornehmlich Studenten.
Um der Gefahr einer Radikalisierung zu begegnen, hat die UN-Mission Wahlen für den 17. November angesetzt. Doch viele unabhängige Beobachter bleiben skeptisch. "Die Bevölkerung könnte schon am Wahltag den kompromissbereiten Politikern einen Denkzettel verpassen", heißt es aus diplomatischen Kreisen. Doch entscheidend sei der 10. Dezember selbst. Serbien bringt inzwischen die Möglichkeit ins Gespräch, die Verhandlungen über diesen Termin hinaus zu verlängern.
Westliche Militärs wollen nicht an einen Volksaufstand der Albaner glauben. Jedoch könnten Extremisten beider Seiten nach nordirischem Vorbild mit Anschlägen für Unruhe sorgen und die internationalen Sicherheitskräfte in Verlegenheit bringen. Zudem könnten sie in den Albanergebieten Serbiens und Mazedoniens Unruhe stiften.
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