Polen: Debakel für Kaczyski bei TV-Duell
Im Fernsehduell besiegt Herausforderer Donald Tusk den polnischen Regierungschef Jarosaw Kaczyski klar. Seitdem führt die Opposition in Umfragen.
WARSCHAU taz "Donald, Donald", skandierten die Zuschauer des Rededuells zwischen Regierungschef Jaroslaw Kaczynski und seinem Herausforderer Donald Tusk am Sonntagabend im Fernsehstudio. Nach der letzten Runde und dem letzten Gong stand der Sieger fest: Donald Tusk, der Parteivorsitzende der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO).
Strahlend vor Glück und Erleichterung stand der 50-Jährige neben Kaczynski, der seine Niederlage noch gar nicht recht fassen konnte. Mit diesem überwältigenden Sieg Tusks hatte kaum jemand gerechnet. Der gebürtige Danziger will zwar die Wahlen am nächsten Sonntag gewinnen und nächster Ministerpräsident Polens werden, wirkte aber im bisherigen Wahlkampf seltsam blass, brav und entscheidungsarm. Nicht nur die Gegner machten sich über den "netten Jungen von nebenan" lustig, dem man zwar einen Gebrauchtwagen abkaufen, aber nicht die Regierung eines Landes anvertrauen würde. Auch in der eigenen Partei rumorte es. "Tusk muss mehr Biss zeigen", murrten die einen, während die andern gar zum Wechsel an der Spitze aufforderten: "Mit so einem Weichei gewinnen wir nie die Wahlen!"
Der Ausgang des Fernsehduells hat die Wogen geglättet und die Zweifler in den eigenen Reihen zum Verstummen gebracht. "Die Hoffnung ist zurück", sagte eine der PO-Anhängerinnen im Fernsehstudio. In den Meinungsumfragen liefern sich die Bürgerplattform und die regierende "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwischen 30 und 36 Prozent schwankte die Zustimmung, mal führt die eine Partei, mal die andere. Jetzt, nach dem Duell, liegt die PO mit 38-46 Prozent klar vorne, die PiS bei 32-37 Prozent. An dritter Stelle steht mit 15 Prozent das Parteienbündnis "Linke und Demokraten" (LiD), danach folgt - nur knapp über der Fünfprozenthürde - die Bauernpartei PSL und erst danach die bisherigen Koalitionäre in der Regierung, die linkspopulistische Bauernpartei Samoobrona und die rechtsradikale Liga der polnischen Familien.
Tusk schwenkte strahlend seinen Blumenstrauß, als auch schon die Ergebnisse der ersten Umfragen über die Bildschirme flimmerten: Als Sieger im Rededuell konnte Tusk bei 67 Prozent der Befragten punkten, während sein Kontrahent Kaczynski nur 33 Prozent Zustimmung erzielte, wie das Institut GfK Polonia ermittelte. Im Internetportal onet.pl fiel das Votum noch deutlicher aus: Dort stimmten von rund 53.000 Teilnehmern 77 Prozent für Tusk und nur 12 für den amtierenden Regierungschef. Nur eine halbe Stunde nach dem Duell gab Kaczynski eine Pressekonferenz, die von den Fernsehsendern live übertragen wurde. Schuld an seiner Niederlage seien Tusk und seine Anhänger, die Journalisten und die Nichteinhaltung des vorher genau festgelegten Reglements. In Wirklichkeit habe er das Duell gewonnen. "Ich fühle mich als Sieger!"
Doch das interessierte die Polen dann schon nicht mehr. Im ganzen Land spielte man den Schlagabtausch noch einmal durch. Tusk war bestens vorbereitet in das einstündige Duell gegangen, war witzig, erstaunlich angriffslustig, hatte Zahlen parat, konterte gut, und stellte die richtigen Fragen. Kaczynski hingegen wirkte nervös und unkonzentriert, verhedderte sich in Kampfphrasen - gegen die angeblich allgegenwärtige Korruption in Polen, gegen Altkommunisten und Wirtschaftsliberale. Aber nicht einmal auf die einfache Frage, ob er Polen liebe, fiel ihm eine überzeugende Antwort ein. So konnte Tusk im Schlussplädoyer sagen: "Ich will ein Polen schaffen, in dem sich nicht nur meine Kinder und Enkel wohlfühlen werden, sondern sogar Sie, Herr Ministerpräsident."
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