Doku Siemens-Affäre: Hauptberuf Enthüller

Die Doku "Siemens im Schmiergeldsumpf" zeigt wenig Neues - dafür wird der Autor Thomas Leif umso besser ins Bild gesetzt.

Der wichtige Mann sitzt rechts: SWR-Chefermittler Thomas Leif mit Anwalt Michael Hershman. Bild: swr/Sabine Jakobs

Keine zwei Minuten dauert es, bis die Kamera auf ihn schwenkt: Thomas Leif - in der Totale vor dem rosafarbenen Siemens-Hauptsitz, im Profil, von Vorne, Leif in der Spiegelung seines Laptop-Bildschirms, Leif beim Blättern von vertraulichen Dokumenten, sogar als Schatten materialisiert er sich aus dem Nichts vor den Schaltzentralen des Bösen. Die Message ist klar: Leif ist allgegenwärtig. Vor allem da, wo sich Worte wie "Affäre" oder "Skandal" über die Szenerie schreiben lassen. Denn Thomas Leif ist nicht nur SWR-Chefreporter, er ist auch der Erste Vorsitzende des Netzwerks Recherche, das sich als "Lobby für den in Deutschland vernachlässigten investigativen Journalismus" versteht, und somit Enthüller im Hauptberuf. Und wer etwas enthüllen will, der kommt um dieses Thema nicht herum: Siemens.

1,5 Milliarden Euro Schmiergeld soll der Konzern bezahlt haben, um Aufträge im Ausland zu beschaffen - offenbar mit Wissen der Führungsetage. Im November 2006 fliegt die jahrelange Korruption auf: 250 Ermittler durchsuchen Büros und Wohnungen, Manager werden verhaftet, 36.000 Aktenordner als Beweismittel gesichert.

Doch die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Wie Oberstaatsanwältin Brigitte Schröder treffend bemerkt: "Korruptionen sind ihrer Natur nach auf Heimlichkeiten ausgerichtet." Das ist nicht nur das Hauptproblem der Ermittler, sondern auch der Doku selbst. Denn: Heimlichkeiten kann man aufschreiben. Nachträglich filmen lassen sie sich nicht. Wenn man trotzdem versucht, Verschwörung und Mauschelei auf den Bildschirm zu heben, hat das bisweilen etwas Rührendes. Da sieht man dann Hinterköpfe in Close-Ups, unleserliche Dokumente werden über den Tisch geschoben, immer mit dem Hinweis am Bildrand, dass es sich dabei um eine "Rekonstruktion" handelt.

Jede Einstellung ist bemüht, Subtext zu transportieren: Glänzende Krawatte steht für Wirtschaftsboss/überhöhtes Gehalt/böse. Hastiges Kulli-Befummeln: Da hat einer Dreck am Stecken. Händeschütteln: Die stecken unter einer Decke. Die Tatsache, dass kaum einer der Verantwortlichen bereit ist, sich vor der Kamera zu äußern, trägt auch nicht gerade dazu bei, das dürre Faktengerüst aufzufüttern. Doch, alter Journalisten-Trick: Wenn keiner mit dir reden will - rede darüber. Leif macht die Schweigepraxis zum Beweis dafür, wie investigativ er unterwegs ist. Nahezu jeder Gesprächswillige wird mit der Bemerkung eingeführt, wie lange man ihn beknien musste. Mehrfach darf der Zuschauer mit ansehen, wie Leif versucht, die Staatsanwältin zu befragen - die jedes Mal mit dem Verweis auf das laufende Verfahren die Antwort verweigert. Die Entscheidung, dies zu zeigen, mag suggerieren, dass der Autor die journalistische Sorgfaltspflicht ernst nimmt. Doch beim dritten Mal ist es nur noch albern.

Immer wieder verirrt sich Leif auf Nebenschauplätze, etwa wenn er einen privaten Korruptionsermittler besucht, der zwar einiges über Bestechung im Allgemeinen, nichts aber zu Siemens beisteuern kann. Was bleibt, sind zahlreiche Schnipsel rund um den Schmiergeldsumpf. Durchblick im Korruptionsdickicht fehlt.

"Siemens im Schmiergeldsumpf", Mittwoch, 23.30 Uhr, ARD

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