Großbritannien: Liberale erneut in der Krise

Großbritanniens Liberale müssen erneut auf die Suche nach einem Parteichef gehen. Intrigen und Meinungsumfragen sollen zum Rückzug Menzies Campbells geführt haben.

Abtritt ohne weitere Erklärungen: Menzies Campbell Bild: ap

DUBLIN taz Nachdem Charles Kennedy wegen seiner Alkoholprobleme Ende 2005 gehen musste, ist nun auch sein Nachfolger Menzies Campbell zurückgetreten - "freiwillig", wie die Parteispitze behauptet. In Wirklichkeit hatten ihn seine parteiinternen Gegner seit geraumer Zeit attackiert, und als zum Schluss auch noch seine Anhänger schwiegen, statt ihm zur Seite zu stehen, gab er auf.

Campbell hatte mit niemandem über seine Rücktrittspläne gesprochen. Stattdessen verdrückte er sich nach Hause ins schottische Edinburgh und hinterließ lediglich einen kurzen Brief. Es sei deutlich geworden, dass die Diskussionen über die Parteiführung weiteren Fortschritten der Liberalen Demokraten im Weg stünden, schrieb er: "Deshalb trete ich zurück. Ich habe weder vor, eine Pressekonferenz zu geben, noch weitere Erklärungen hinzuzufügen."

Das taten andere für ihn. Einer seiner Vertrauten sagte: "Die Intriganten sollten am nächsten Baum aufgeknüpft werden." Der Abgeordnete Mike Hancock meinte: "Wir haben dem armen Mann keine Chance gegeben. Ich finde, er ist einem Haufen von Scheißern zum Opfer gefallen." Norman Baker von der Parteiführung sagte: "Ein solch anständiger Mann hätte etwas Besseres verdient." Und selbst Premier Gordon Brown pries Campbell als "integren Mann, der seiner Partei und seinem Land mit Auszeichnung gedient" habe.

Campbell wurde am 22. Mai 1941 in Glasgow geboren. Er studierte Jura an der Glasgow University und Internationales Recht an der Stanford University in Kalifornien. Im Jahr 1964 nahm er an den Olympischen Spielen im 100-Meter-Lauf teil. In dieser Disziplin hielt er von 1967 bis 1974 den britischen Rekord. Bei den Wahlen 1987 zog er ins Unterhaus ein.

Als Campbell das Amt des Parteichefs 2006 übernahm, war er nur eine Notlösung. Die beiden Favoriten, Mark Oaten und Simon Hughes, mussten ihre Kandidaturen zurückziehen - der eine, weil er sich einen Strichjungen gehalten hatte, der andere, weil er vom Boulevardblatt Sun als bisexuell geoutet wurde, obwohl er bei den Unterhauswahlen eine Anti-Schwulen-Kampagne geführt hatte. So blieb nur Campbell übrig. Gemocht hat ihn seine Partei nie sonderlich, er galt vielen als zu alt, sein Auftreten zu hausbacken, auch wenn er sich entschieden gegen den Irakkrieg aussprach. Was letztendlich den Ausschlag für sein Scheitern gab, waren die Meinungsumfragen, bei denen die Liberalen nur noch auf elf Prozent kamen.

Bis Ende des Monats können Kandidaten für die Nachfolge nominiert werden, die Wahl wird Mitte Dezember stattfinden. Die besten Aussichten haben der innenpolitische Sprecher, Nick Clegg, und der Umweltexperte Chris Huhne. Die Times glaubt, dass Campbells Rücktritt den Tories schaden wird, weil deren Popularitätsanstieg vor allem auf Kosten der Liberalen gegangen war. Der Daily Mirror meint allerdings, es sei einerlei, wen sich die Liberalen Demokraten diesmal zum Chef wählen, weil Großbritannien wieder ein Zweiparteienstaat geworden sei und die Liberalen künftig nur eine Nebenrolle spielen werden.

RALF SOTSCHECK

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