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DJs Chloé & ÖzerVerschiedene Farben der Melancholie

Kommentar von Tobias Rapp

Passend zum Herbst: die DJs Chloé und Onur Özer bringen mit "The Waiting Room" und "Kasmir" elegante Debütalben heraus

E ine gelungene DJ-Karriere kann man sich wie ein Mehrstufenprogramm vorstellen: am Anfang werden einfach nur Platten aufgelegt, in einem möglichst hippen Laden. Läuft das gut, sollte man zusehen, dass man auch einmal außerhalb gebucht wird, in einer anderen Stadt, vielleicht sogar in einem anderen Land. Und spätestens dann sollte man seine erste Maxi herausbringen, nicht nur, um den eigenen Namen noch bekannter zu machen. Es geht auch darum, anderen DJs den eigenen Sound aufzuzwingen.

Das Problem des DJs ist es, als vollgültiger Künstler anerkannt zu werden, was nicht nur eine symbolische Frage ist. Der DJ, der als Künstler gehandelt wird, bekommt schlicht mehr Geld als der DJ, der lediglich als Schallplattenalleinunterhalter gilt. Um so weit zu kommen, reicht es nicht, nur ein paar Stücke zu veröffentlichen. Irgendwann muss ein eigenes Album her, seit Jahr und Tag das eingeführte Format, um im Feld der populären Musik Künstlerschaft zu beweisen - mit all den Attributen, die dazugehören: langen Atem haben, die nötige Dramaturgie beherrschen, verschiedene Stile entwickeln können. Kurz: um als DJ in die nächste Liga aufsteigen zu können, müssen sie eine Platte herausbringen, die auch im Wohnzimmer funktioniert, nicht nur im Club.

Die DJs Chloé Thevenin und Onur Özer sind in ihren Karrieren genau an dieser Stelle. Chloé machte sich als Resident des Pariser Lesbenladens Pulp einen Namen, veröffentlichte ein paar Maxis auf verschiedenen Labels, die auf interessante Art und Weise zwischen Minimal und Electro schillerten. Onur Özer lebt in Istanbul, was ungewöhnlich für einen House-DJ ist, da die dortige Szene doch recht überschaubar ist. Er hat bei einigen deutschen Labels Platten herausgebracht und ist ein gefragter DJ überall in Europa.

"The Waiting Room" und "Kasmir" heißen die Alben von Chloé und Özer - und so unterschiedlich sie im Detail sind, in ihrer Anlage sind sie erstaunlich ähnlich. Vielleicht ist es ja der Herbst, dieses erdfarbene Verlangen, seine Blätter zusammenzukehren, sich in seine Wohnung zurückzuziehen, am Fenster zu stehen und Menschen dabei zuzuschauen, wie sie ebenfalls nach Hause eilen. Aber Chloé wie Özer verzichten auf jedes Euphoriemoment, halten das Farbspektrum ihrer Klangpalette sehr gedeckt und arbeiten mit langen erzählerischen Bögen.

"The Waiting Room" neigt sich dabei eher einer kalten Schönheit zu. Chloé, die auch an der Pariser Kunsthochschule Elektroakustik studiert, arbeitet mit zarten Tupfern aller möglichen Clicks, mal tickt eine Uhr, es klöppelt und zischt in den verschiedensten Grautönen. Das hat etwas Skizzenhaftes, sehr zurückhaltend setzt Chloé mitunter auch ihre Stimme ein. Onur Özer "Kasmir" ist nicht weniger melancholisch, wenn auch stärker an den Wärmestrom des Dub angeschlossen. Özer nutzt auch den Klang verschiedener Instrumente, sei es ein Klavier, das ab und zu mitläuft, seien es zurückhaltende Bläsersätze.

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