Hofer Filmtage: Regression und Kettenrauchen

In diesem Jahr wird auf den Hofer Leinwänden heftiger gequalmt denn je - Die Nachwuchsfilmer setzen sich mit dem Erwachsenwerden auseinander.

Frustrauchen: Szene aus "Broken English" von Zoe Cassavates. Bild: hofer filmtage

In Hof geht es persönlicher zu als auf den großen Filmfestivals. Da kann es passieren, dass man am Frühstückstisch mitbekommt, wie Drehbücher über ostfriesische Bauern verschachert werden - "ist zwar ein bisschen norddeutsch, würde aber perfekt in die ARD passen" -, und in überfüllten Kinosälen setzt man sich einfach mitten in den Gang, ohne dass sich irgendjemand daran stören würde. Weil Hof so klein ist, wird zwangsläufig die ganze Stadt in das Festival mit einbezogen. Wo sonst würde ein überlebensgroßes Bild von Christoph Schlingensief im Schaufenster einer Apotheke hängen?

Von Schlingensiefschem Geist war auf den am Sonntag zu Ende gegangenen 41. Hofer Filmtagen allerdings nicht viel zu spüren. Stattdessen setzten sich viele der jüngeren Filmemacher mit dem Erwachsenwerden auseinander. Lena (Elinor Lüdde) etwa, die sympathisch sperrige Protagonistin von Hagen Kellers "Meer is nich", hält die Welt auf Distanz, um herauszufinden, was sie vom Leben erwartet. Als sie es endlich weiß - sie möchte Schlagzeugerin werden -, spürt sie, dass sie trotz ihrer 17 Jahre zu alt für die Verwirklichung dieses Traums sein könnte.

In "Früher oder später" verliebt sich die 14-jährige Nora (Lola Klamroth) in den alternden B-Schauspieler Thomas (Harald Schrott). Regisseurin Ulrike von Ribbeck hat genau die richtigen Bilder für die Emotionen ihrer jugendlichen Hauptfigur gefunden: Mal umkreist die Kamera das Mädchen im wilden Überschwang der Gefühle, mal sieht man es von der Welt abgeschnitten am Fenster stehen. Ein schönes Debüt mit einer zauberhaften Hauptdarstellerin.

Für den Protagonisten von "Mitte 30" hat Regisseur Stefan Krohmer den umgekehrten Weg, nämlich den der Regression gewählt: Nach dem Tod von Markus (Robert Dölle), mit dem er ein Architekturbüro betrieben hat, schreibt sich Gerrit (Mark Waschke) wieder an der Uni ein und beginnt ein Verhältnis mit Markus Witwe. Gerrit kann den Anforderungen des Erwachsenenlebens nicht gerecht werden - am Schluss des Films sieht man ihn durch die Gänge seiner Uni schlurfen und Pinnwände nach potenziellen WG-Mitbewohnerinnen abgrasen.

Abgesehen von Lichtblicken wie "Früher oder später" gelingt es leider nur wenigen der in Hof gezeigten Filme junger deutschsprachiger Regisseure, die visuellen Möglichkeiten, die das Kino bietet, auch nur annähernd auszuschöpfen. Zwar ist vieles solide gearbeitet, gleichzeitig aber auch arg konventionell inszeniert. So waren es die etablierten Regisseure, die für die besonderen Kinomomente zuständig waren. Dominik Graf etwa, der für "Das Gelübde" Bilder gefunden hat, die in ihrer Komposition an Vermeer-Gemälde erinnern. Leider kann die Geschichte um den Dichter Clemens von Brentano, der im westfälischen Dülmen der von Stigmata gezeichneten Nonne Anna Katharina Emmerich begegnet, da nicht ganz mithalten.

Anders verhält es sich mit "Mondkalb" von Sylke Enders. Alex (Juliane Köhler) ist aus dem Gefängnis entlassen worden und sucht einen Neuanfang in Brandenburg. Dort begegnet sie dem 12-jährigen Tom (Leonard Carow) und dessen Vater Piet (Axel Prahl), der seit dem Selbstmord seiner Frau mit Toms Erziehung völlig überfordert ist. Die beiden verlieben sich und finden doch nicht zueinander: Während Alex an ihrer Vergangenheit kaputtgeht, scheitert Piet an der Gegenwart. Sylke Enders hat einen Weg gefunden, vieles über ihre Figuren nur anzudeuten und dennoch das meiste nachvollziehbar zu machen: Sie spiegelt ihre Protagonisten ineinander, lässt Alex Geschichte aus Piets heraus verstehbar werden - und umgekehrt.

Trotz global verschärftem Rauchverbot: Auf Hofer Kinoleinwänden wurde heftiger gequalmt denn je. Was bestens zur diesjährigen Wayne-Wang-Retrospektive passte, da Wang ja in den Neunzigern mit "Smoke" und "Blue in the Face" zwei der größten Hommagen an das Rauchen überhaupt geschaffen hat. Am schönsten wurde vermutlich in Zoe Cassavetes Film "Broken Englisch" geraucht, dessen Hauptfigur in einer existenziellen Lebenskrise steckt. Sie wünscht sich eine feste Beziehung und zieht sich doch immer wieder instinktiv zurück, sobald es ernst werden könnte. Was bleibt einem da anderes übrig, als sich eine Zigarette nach der anderen anzustecken?

Viel geraucht wird auch in Nicolette Krebitz Medea-Variation "Das Herz ist ein dunkler Wald". Die Handlung erinnert an Kubricks "Eyes Wide Shut": Es geht um ein Paar in der Krise und um eine mysteriöse Party im Wald, auf der einer der Ehepartner - hier ist es die Frau - in ein surreales Traumszenario eintaucht. In Verlauf der Nacht ordnet sich das Leben der Frau (Nina Hoss), die erfahren hat, dass ihr Mann (Devid Striesow) ein Doppelleben führt, komplett neu, die Bilder aus ihrer Vergangenheit schwappen in ihr Bewusstsein. Genauso wie die Bilder des Films ins Bewusstsein des Zuschauers, wenn der den Kinosaal verlassen und sich im Nieselregen auf den Heimweg gemacht hat und gar nicht so recht begreifen kann, was ihm soeben widerfahren ist.

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